Zieldefinition im Coaching Prozess

Abschlussarbeit von Andrea Lüscher, als PDF lesen


Was müsste hier passieren, damit es sich für Sie auszahlt, da gewesen zu sein?

Steve de Shazer

Einleitung

Damit der Coachee in einem systemischen Coaching zu einem, für ihn zufriedenstellendem Ergebnis kommen kann, kommt der ersten Phase des Coachings, der Auftragsklärung mit Zieldefinion, eine zentrale Rolle zu.

Meiner Erfahrung nach bildet selten das vorrangig formulierte Problem des Coachees, den tatsächlichen, abschließenden Auftrag, den es im gemeinsamen Gespräch zu bearbeiten gilt.

Startet ein Coaching ohne eine klare Zielformulierung, kann das Gespräch durch den Coach nicht klar gesteuert werden und der Coachee „verrennt“ sich möglicherweise in den eigenen Gedanken.

Schlimmstenfalls kommt es zur Problemtrance, die schwer zu durchbrechen ist.

Das Arbeiten an einem „falschen“ Ziel führt zu Irritation und Vertrauensverlust auf Seiten des Coachees und einem unklaren Arbeitsprozess auf Seiten des Coaches.

Dies impliziert nicht, dass nicht im gemeinsamen Coaching Prozess ein Thema hinter dem Thema erkannt und bearbeitet werden kann.

Hierzu ist aber mitunter erst eine vertrauensvolle, empathische Zusammenarbeit erforderlich, bei der vorrangige Prozesse bearbeitet werden müssen.

Eine erste präzise Zielformulierung, die der Auftragsklärung folgt, ist das Fundament für einen zielführenden Coaching Prozess.

Vorbereitung auf die Zielformulierung

Voraussetzung

Damit Coachee und Coach in einen gemeinsamen produktiven Prozess kommen können, ist es entscheidend, dass sie sich zur Auftragsklärung unter klaren Vorgaben in einem gemeinsam abgestimmten Beratungssystem treffen.

➢ Verschwiegenheitsklausel

➢ Neutralitätswahrung/ Konstruktivismus

➢ Klar definierter Zeitrahmen

➢ Abgrenzung des Coachings zu anderen Beratungsformen

➢ Vertrauen

Prozessverantwortung liegt beim Coach – Ergebnisverantwortung liegt beim Klienten

Ankommen im „Problemerzählen“ als Einstieg

Es gilt für den Coach nach der Auftragserteilung, die noch einmal klar vom Coachee eingefordert werden sollte, die Zielfindung zu begleiten.

Der Coachee weiß oft nicht, was sein Problem ist – er merkt nur dessen Auswirkungen.1

Der Coachee darf ankommen und seinem Problem Raum geben. Um eine Problemtrance zu vermeiden sollte hier immer der Leitsatz gelten – So kurz wie möglich, so lang wie nötig.

Unterbrechungen von Seiten des Coaches, können diesbezüglich notwendig und hilfreich sein.

Neutrale und offene Fragen von Seiten des Coaches bieten einen guten Einstieg:

➢ Weshalb sind Sie hier?

➢ Was möchten Sie heute besprechen?

➢ Um was geht es Ihnen?

In dieser Phase ist es für den Coach wichtig eine wertschätzende, empathische und konstruktivistische Grundhaltung einzunehmen und durch Spiegeln Verständnisfragen zu klären.

Das Problem, in einem zeitlich angemessenen Rahmen, wert zu schätzen schafft eine Vertrauensbasis. Schließlich machte das bisherige Verhalten für den Coachee einen Sinn, sonst hätte er es nicht aufrechterhalten.

Demut und die Haltung des „Nicht-Wissens“ auf Seiten des Coaches sind hier der Schlüssel um dem Coachee die Möglichkeit zu eröffnen, abgeleitet von seinem Problem, eine klare Zielformulierung für sich zu finden.

Problemformulierung

Denkbar sind unterschiedliche Problembeschreibungen/Wahrnehmungen des Coachee:

Es gibt eine Vielzahl an Problemen die weder priorisiert, noch gebündelt werden können, z.B.:

Ich habe ständig Probleme mit meiner Frau, wenn ich nach Hause kommen, weil sie meint ich würde im Haushalt nicht genug mithelfen, das stresst mich total, weil ich nach der Arbeit einfach völlig erschöpft bin. Schließlich schätzt mein Chef meine Arbeit ja auch nicht und für meine Freunde habe ich schon lange keine Zeit mehr

Es gibt ein klar formuliertes Problem, welches im Beschreibungsprozess durch weitere Probleme geschwächt wird, so dass ein anderes Problem in den Vordergrund tritt, z.B.:

Ich habe das Gefühl, dass ich kurz vor einem Burnout stehe, weil ich mich Tag und Nacht für meine Firma aufopfere, ich habe einfach keine Zeit mehr mich zu entspannen. Ich mache jeden Tag Überstunden und habe das letzte Projekt alleine gesteuert. Wenn ich letztes Jahr die Chefposition erhalten hätte, wie ich es erhofft hatte, würde die Firma heute anders dastehen.“

Während der Problemschilderung wir das Thema hinter dem Thema klar, z.B.:

Ich habe das Gefühl, dass ich kurz vor einem Burnout stehe, weil ich mich Tag und Nacht für meine Firma aufopfere, ich habe einfach keine Zeit mehr mich zu entspannen. Wenn ich letztes Jahr die Chefposition erhalten hätte, wie ich es erhofft hatte, würde die Firma heute anders da stehen…

Leider habe ich mir die Position damals nicht zugetraut…Es ist immer das gleiche mit mir, auch im privaten habe ich immer wieder Angst etwas falsch zu machen…

Wenn der Coach merkt, dass sich möglicherweise mehr hinter einem „vorgeschobenen“ Problem verbirgt, kann eine Frage an den Coachee hilfreich sein, die ihn hinterfragen lässt, was anders ist, wenn sein genanntes Problem „gelöst“ ist.

Damit der Coachee sein Problem klar benennen kann und auf ein passendes Ziel hingearbeitet werden kann, kann der Coach sich unterschiedlichster Methoden bedienen.

Im Folgenden erläutere ich ein mögliches Tool.

Das Finden der Zielformulierung mit Hilfe des CoachingHauses2

Beschreibung Coaching Haus

Wenn wir uns den Coaching Prozess als eine Villa vorstellen, so findet das „Kennlerngespräch“ im Garten statt.

Es werden anschließend im Coaching-Haus unterschiedliche Räume durchlaufen, um eine klare Zielformulierung zu erreichen.

Die Reihenfolge der aufgesuchten Räume ist situationsabhängig und kann von Coaching zu Coaching variieren.

Auch ist es möglich einen Raum mehrfach aufzusuchen, wenn hier im Rückblick noch weitere wichtige Faktoren benannt werden müssen.

Grundsätzlich wird aber im Folgenden, der „routinemäßige“ Ablauf erläutert:

Systemischer Prozess im Coaching

Thema sortieren

Dieser Raum ist der Eingang in das Coaching Haus.

Hier geht es darum, mit offenen Fragen dem Coachee die Möglichkeit zu geben sein Thema zu beschreiben. Hier findet das oben genannte „Problemerzählen“ statt.

Der Coach nimmt die Haltung des „Nicht-Wissens“ ein, er hört aktiv zu und beobachtet Wortwahl, Erregungszustand und Körperhaltung des Coachees.

Da die Zielformulierung in aller Regel kein Selbstläufer ist, ist es hier die Aufgabe des Coaches, behutsam durch die anderen Räume des Hauses zu führen.

Zum einen dient dies der Schaffung von Klarheit für den Coach, der so das System verstehen lernt, in dem der Coachee sich mit deinem Problem befindet.

Zum anderen dient es dem Coachee als Hilfsmittel, um sich und sein Problem von allen Seiten zu betrachten und gegebenenfalls durch ein Reframing eine veränderte Sicht auf seine Situation zu bekommen.

Neben dem gesprochenen Wort sollte der Coach immer auch ein Augenmerk auf die Körpersprache richten, um Prozesse beim Coachee wahrzunehmen, die er spontan nicht benennt.

Durch Spiegelung kann hier auf eine entsprechende Wahrnehmung hingewiesen werden.

Mögliche systemische Fragestellungen sind hier:

▫ Welche Anliegen haben Sie mitgebracht?

▫ Worauf möchten Sie sich konzentrieren?

▫ Worin darf ich Sie unterstützen?

▫ Welche Herausforderung haben Sie aktuell?

▫ Welches Ziel möchten Sie nach dem Coaching erreicht haben?


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Quellen

1 Sonja Radatz, Beratung ohne Ratschlag, 2018
2 Bezugnehmend auf Schulungsmaterial von Inkonstellation