Abschlussarbeit von Sabine Maier, als PDF lesen
Der Mensch ist das Wesen, das immer entscheidet was es ist.
Victor E. Frankl (1905 -1997)
Einführung
Seit Jahren zeigen Umfragen, dass es Menschen heute vermehrt bei der Arbeit darum geht, dem Leben einen Sinn zu geben. Dies gilt insbesondere für die Jüngeren.
Sie möchten Gutes erschaffen und positive Veränderungen möglich machen. Vielen ist es wichtig, sich selbst zu verwirklichen und ihr Berufsleben so zu gestalten, dass sie mit mehr rausgehen als nur einem guten Rentenbescheid.
Die Bedeutung von Sinn in der Arbeit belegt auch der 2018 erschienene Fehlzeitenreport der AOK mit den Schwerpunkt Sinn und Arbeit.
Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass Menschen, die ihre Arbeit als sinnstiftend erleben, nachweislich weniger krank sind und deutlich weniger arbeitsbedingte gesundheitliche Beschwerden haben.
Das Resümee der Studie ist, dass …
… das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, für die meisten Menschen wichtiger ist als ein hohes Einkommen
Der Sinn im Leben zeichnet sich für Viktor Frankl1 darin aus, dass er eine vornherein gegebene Größe ist und dabei dem Wollen vorausgeht. Er kann somit nicht gemacht, gedacht, gesetzt oder erfunden werden – Sinn muss gefunden, entdeckt und abgetastet werden.
Eine Möglichkeit, Sinn im Leben zu finden, bietet die Verwirklichung von Werten oder, wie es Victor Frankl vertritt, die Sinnerfüllung durch Werte.
Ein Wert ist demnach ein noch nicht verwirklichter Sinn, also eine Sinnesmöglichkeit.
Sinn und Werte sind nach Hilarion Petzold2 ein wesentlicher Bestandteil der Identität eines Menschen.
Entsprechend wird den Werten eine wichtige Steuerungsfunktion zugeschrieben. In Visionen, Zielen und Grundannahmen einer Person zeigen sich die Werte, die diese hat.
Werte sind einerseits Orientierungspunkte, um kritische Situationen zu vermeiden und andererseits Antrieb, um positiv bewertete Situationen herbeizuführen.
Sie geben somit auch Orientierung, wenn Situationen mehrdeutig sind und uns vor Probleme stellen.
Die eigenen Werte zu kennen, hilft dabei die eigene Identität zu verteidigen und sich aus sich selbst heraus weiterzuentwickeln und auf Gelegenheiten nicht passiv zu reagieren.
Bei Anliegen der persönlichen wie beruflichen Orientierung im Coaching ist die Beschäftigung mit den eigenen Werten sehr hilfreich, wenn nicht sogar unverzichtbar. Um Fragen zu
„Wer bin ich“
„Wohin soll ich gehen?“
zu beantworten, müssen die eigenen Werte klar sein, da diese Teil der menschlichen Psyche und damit Teil der Kräfte sind, die uns lenken und Energie geben.
Werte bestimmen das „Wollen“, das, was uns wichtig ist.
Definition, Merkmale und Kategorien von Werten
Werte repräsentieren Vorstellungen, welche in einer Gesellschaft allgemein als wünschenswert anerkannt sind und die den Menschen Orientierung verle
ihen.
Werte eines einzelnen Menschen werden durch Bildung, Erziehung und persönliche Lebenserfahrungen geprägt.
Aus bevorzugten individuellen Werten entstehen Glaubenssätze, Denk- und Handlungsmuster.
Es gibt immer mehrere Werte im Leben eines Menschen, die aktiv sind. Man spricht auch von einem Wertesystem.
Jeder Einzelne verfügt über ein eigenes Wertesystem, wobei uns die einzelnen Werte in der Regel nicht bewusst sind. Erst wenn wir sie untersuchen, können wir gezielt zur Orientierung auf sie zugreifen. Häufig werden uns Werte erst bewusst, wenn sie verletzt werden (Wagner, U., 2013).
Laut Christoph Schlick (2015) machen Werte unser Leben sinnvoll und …
… die eigenen Werte zu erkennen und ihnen zu folgen, ist der Schatz im Leben, den es zu heben gilt
Nach den eigenen definierten Werten zu leben, bedeutet mehr Zufriedenheit, mehr Selbstbewusstsein, bessere Beziehungen bei viel weniger Schuldgefühlen und Stress.
Die Bojen Symbolik veranschaulicht, wie das Wertesystem als Anker den Hauptbeitrag dafür leistet, dass eine Person eine Haltung einnehmen oder eine Einstellung für etwas entwickeln kann.
Dieser Entwicklungsprozess wiederum führt zu Motiven der Person, die sie letztlich zu Verhaltensweisen und Handlungen bewegt und ihr auch eine entsprechende Kommunikation über ihre Motivationen, Handlungen und ihr Verhalten ermöglicht.
Typische Merkmale von Werten sind nach Wagner, (2013):
• Werte repräsentieren Vorstellungen richtiger, sinnvoller Lebensprinzipien und anzustrebender Lebensumstände in allen Lebensbereichen.
• Sie sind über längere Lebenszeitenspannen /–phasen relativ konstant und entwickeln sich mit der Veränderung der Lebensbedingungen innerhalb der persönlichen Entwicklungsabschnitte.
• Werte unterscheiden sich hinsichtlich Wichtigkeit, es besteht eine Wertehierarchie – auch diese verändert sich über die Zeit.
• Werte beeinflussen alle Lebensbereiche, Entscheidungen und Handlungen direkt – egal ob das bewusst geschieht oder unbewusst.
• Damit die eigenen Werte in ihrem Leben erfüllt sind, investieren Menschen Zeit, Kraft und Ressourcen.
• Es stellt sich ein Gefühl des Mangels, der Beeinträchtigung ein, wenn Werte nicht erfüllt oder nicht erfüllbar sind. Das kann mitunter zu Frustration führen.
• Die Motivation für ein Ziel ist umso höher, desto mehr es mit persönlichen Werten verbunden ist.
• Solange man sich seiner Werte nicht bewusst ist, sind strategische Entscheidungsprozesse, egal ob beruflicher oder privater Natur, von Unsicherheit geprägt.
Frankl unterteilt die Werte in drei Kategorien.
Die erste Kategorie sind Einstellungswerte.
Der Einstellungswert schlechthin ist Liebe, aber auch Respekt, Vertrauen und Dankbarkeit gehören dazu.
Für Frankl waren sie die höchstmöglichen Werte, die ein Mensch verwirklichen kann, weil sie die am schwierigsten zu verwirklichenden sind.
Sie haben nicht mit Freude zu tun, wie die anderen Werte, sondern mit Schmerz, denn sie sind bedeutsam, wenn ein Unglück geschehen ist, Hoffnungen verloren geht oder Menschen an unüberwindliche Grenzen gelangen.
Die zweite Werte-Kategorie sind die schöpferischen Werte.
Sie umfassen alles, was wir erschaffen, tun oder aufbauen, z.B. unsere Kinder, unsere Beziehung, Beruf, Geld, Wissen oder auch die Natur.
Das Merkmal der schöpferischen Werte ist die Vergänglichkeit.
Die dritte Kategorie sind die Erlebniswerte, das sind die Erlebnisse, welche durch die schöpferischen Werte entstehen.
Bewusstes Wahrnehmen und Achtsamkeit sind für die Erlebniswerte unbedingt notwendig. Denn ohne Achtsamkeit gibt es kein bewusstes Erleben und damit auch keine Erlebniswerte.
Der Erlebniswert schlechthin ist Freude, aber auch Geborgenheit, Zufriedenheit, Glück, Erfolg, Anerkennung. Das Merkmal der Erlebniswerte ist, dass sie nur bedingt wiederholbar, aber dafür auch nicht vergänglich sind.
Wenn mein Partner nicht mehr da ist, kann mir die erlebte Freude mit ihm niemand mehr wegnehmen.
Viele Menschen leben ausschließlich in ihren schöpferischen Werten und denken beispielsweise nur an Beruf, Beziehung oder Kinder.
Sie übersehen dabei, ihre Erlebnis- und Einstellungswerte wahrzunehmen.
Nach Schlick, C. (2015) bedarf es einer Ausgewogenheit und einer Verschränkung zwischen den Werte-Kategorien, um ein glückliches Leben zu leben.
Fußnoten bis hierher
1 Viktor Emil Frankl (1905 -1997) war ein österreichischer Neurologe und Psychiater und Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse. Diese wird auch als die „Dritte Wiener Schule der Psychotherapie“ bezeichnet.
2 Hilarion Petzold (*1944) ist ein deutscher Psychologe. Er begründete das Psychotherapieverfahren der Integrativen Therapie und gilt als ein Pionier der Naturtherapien im psychotherapeutischen Kontext.