Nutzen und Möglichkeiten, analog und digital
Abschlussarbeit von Melanie Black, als PDF lesen
Einführung
Die Seele denkt nie ohne ein geistiges Bild.
Dieses Zitat stammt aus der Feder von Aristoteles, einem griechischen Philosophen und Schüler Platons, der von 384 bis 322 v. Chr. gelebt hat.
Es zeigt, dass Visualisierung und Imagination Themen sind, welche nicht erst seit der Moderne eine Rolle spielen.
Gerade auch in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung – welche durch Covid19 einen Katalysator bekam -, unterstützt die Visualisierung die Zusammenarbeit nicht nur im analogen, sondern auch im virtuellen Raum.
Sie hilft sowohl während des Arbeitsprozesses als auch im Nachgang dabei, Ergebnisse sicht- und greifbar zu machen – egal ob das Coaching im privaten oder beruflichen Kontext stattfindet.
Sie begleitet den Coachingprozess und reichert den bis dahin rein verbalen Austausch um eine weitere Ebene an – was das Verstehen und eine nachhaltige Veränderung positiv fördern kann.
Was ist Visualisierung? Und warum braucht es das?
„Visualisieren“ geht auf das lateinische Wort videre (sehen) (Dudenredaktion, o.D.) zurück und bedeutet allgemein gesprochen etwas zu veranschaulichen oder optisch darzustellen.
Meyer (1999, S. 32) erarbeitet zwei Charakteristika der Visualisierung:
• „Durch Visualisierung werden beliebig dargebotene Informationen in eine bildliche Form überführt (gestaltende Funktion der Visualisierung).
• Durch Visualisierung werden Informationen in eine für die menschliche Wahrnehmung geeignete Form gebracht (Zielorientierung der Visualisierung).“
Hierbei geht es darum, etwas mit Hilfsmitteln wie z.B. einem Stift oder Computergrafiken außerhalb des Gehirns auf einem Medium sichtbar zu machen.
Visualisierung hilft, komplexe Zusammenhänge zu verdeutlichen und zu vereinfachen, bringt Aussagen auf den Punkt, unterstützt die Erinnerung und bietet oftmals schnelle Orientierung.
Von Lengler und Eppler stammt folgende Definition:
„Eine […] externe, permanente und grafische Repräsentation, die Informationen in einer Art darstellt, die dabei unterstützt, Einsichten zu schaffen und Verständnis zu schaffen und weiterzuentwickeln oder Erfahrungen zu kommunizieren.“ (vgl. Rustler, 2011).
Darüber hinaus kann man Visualisierung aber auch als Methode zur mentalen Vorbereitung auf ein Ereignis verstehen.
Hierbei stellt man sich vor, wie man sich in einer bestimmten, zukünftigen Situation z.B. verhalten, fühlen oder bewegen wird.
Doch nicht nur zur Vorbereitung auf Ereignisse ist die mentale Visualisierung hilfreich, sondern auch bei der Wissensaufnahme und -verarbeitung.
Verknüpft man Informationen mit Bildern, so sind diese später leichter wieder abrufbar.
Ein gutes Beispiel hierfür wurde durch Vera F. Birkenbihl bekannt:
„Ein Zweibein sitzt auf einem Dreibein und isst ein Einbein. Da kommt ein Vierbein und klaut dem Zweibein das Einbein. Da nimmt das Zweibein das Dreibein, droht dem Vierbein, und das lässt das Einbein wieder fallen.“
Ohne Bilder im Kopf ist es nur sehr schwer, diese sich wiederholenden Worte in der richtigen Reihenfolge einzuprägen
stellt man sich hierzu jedoch einen Menschen auf einem Hocker vor, der von einem Hund einen Hühnerschenkel weggeschnappt bekommt, ist es sehr viel einfacher, die Geschichte später widerzugeben.
Der „picture superiority effect“ beschreibt das Phänomen, dass Bilder sowie Abbildungen eher im Gedächtnis verbleiben als Worte (vgl. Whitehouse, 2006).
So sind nach Medina (2014) von Informationen, welche man gehört hat, nach drei Tagen noch zehn Prozent im Gedächtnis abrufbar, von visuell erhaltenen Informationen hingegen noch 65%.
Das bildliche Aufzeigen von Informationen verhilft also dabei
• Informationen schneller aufzunehmen,
• besser zu behalten und
• auch schneller wieder abrufbar zu machen.
Visualisierung im Coaching
Coaching findet zum größten Teil in Form von Gesprächen statt. In der Ausbildung zum Coach wird daher oft viel Wert auf Techniken für Gesprächsführung, Konfliktmanagement und das Stellen von Fragen gelegt, die später dann ebenso häufig ihren Einsatz in Coachinggesprächen finden.
Visualisierung nimmt jedoch meist einen sehr kleinen Raum – wenn überhaupt – im Coachingprozess ein.
Dabei bietet die Visualisierung, wie im Kapitel zwei bereits teilweise erläutert, zahlreiche Vorteile:
• Verdeutlichung komplexer Inhalte
• Schnelle Orientierung
• Erhöhung der Aufmerksamkeit
• Beschleunigung des Coachingprozess und dessen Wirkung
• Fokussierung („Worauf Sie fokussieren, davon bekommen Sie mehr.“)
Mit Visualisierungen kann man darüber hinaus eher Emotionen und Intuition ansprechen als auf rein verbaler Ebene.
Dies fördert sowohl die Gedächtnisleistung (vgl. Kapitel 2) als auch Erkenntnisse und die damit einhergehenden Veränderungsprozesse im Coaching.
Emotionen empfindet man als Reaktion auf eine bestimmte Situation, ein Objekt oder ein Gegenüber.
Evolutionsbedingt läuft eine erste emotionale Reaktion unbewusst und automatisch ab – so konnte der Mensch in bedrohlichen Situationen schnell richtig handeln und überleben.
Nach der ersten, unbewussten Reaktion startet dann die Reflektion der Situation und Emotion, welche die weiteren Handlungen beeinflusst.
Nimmt man diese Emotionen entsprechend wahr, ordnet sie als Rückmeldung adäquat ein und ist im Stande sie nach einer Reflektion für sich selbst zu nutzen, kann man das zukünftige Verhalten entsprechend anpassen.
So kommt im Coaching die Bewertung einer Situation sowie der damit verknüpften Emotion eine wesentliche Bedeutung zu.
Emotionen sind daher wichtige Ressourcen, die mit Hilfe von Visualisierung gezielt herausgearbeitet werden können.
Bei der mentalen Vorbereitung auf Ereignisse kann man sich anhand von Visualisierung gezielt z.B. auf Sportwettkämpfe oder auch Verhandlungssituationen vorbereiten, denn unser Gehirn kann nicht unterscheiden, ob wir uns etwas nur vorstellen oder ob wir es tatsächlich erlebt haben (vgl. Merkle, 2020).
So kann man dann auf diese Erfahrungswerte zurückgreifen, mit mehr Selbstvertrauen, innerer Ruhe und einer positiven Einstellung in die reale Situation gehen und sein Ziel leichter erreichen. Ein sehr erfolgreicher Sportler, der diese Methode für seine Vorbereitung auf entscheidende Wettkämpfe nutzte, ist André Agassi:
Ich habe Wimbledon 10.000-mal im Kopf gewonnen.