Unconscious Bias und Intuition

im Coachingprozess – Eine kritische Reflexion

Abschlussarbeit von Mara Pohlmann, als PDF lesen


Einleitung

Die Psychologie ist eine junge Disziplin, noch nicht besonders alt.

Zusätzlich erforscht sie ein komplexes System, das nicht einfach zu durchschauen und zu erklären ist – wenn überhaupt. Bis jetzt ist nur ein kleiner Teil der Prozesse erklärt, die unser Handeln, Fühlen und Denken beeinflussen.

Im rationalen Denken versuchen Psycholog:innen zur erklären, was im Unbewussten passiert.

Unconscious Bias und Intuition, zwei Konzepte, die gerade in der heutigen Zeit immer wieder betrachtet und hinterfragt werden, sind beide unglaublich komplex.

Daher werde ich auch hier nur einen kleinen Teil von dem abbilden und thematisieren können, was bisher schon bekannt ist und was zur Zeit noch im Verborgenen liegt.

Intuition

Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk und der rationale Verstand ein treuer Diener. Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat.

Albert Einstein

Das Wort „Intuition“ kommt aus dem lateinischen „intueri“, was für ansehen und betrachten steht. Das mittellateinische „intuitio“, also die „unmittelbare Anschauung“, kommt noch näher an das, was normalerweise unter Intuition verstanden wird 1.

Das Verständnis und die Definition von Intuition sind oftmals unterschiedlich und nicht einheitlich.

Manchmal wird das Wort gleichgesetzt mit einem Gefühl, plötzlicher Eingebung oder einem Instinkt. Andere Definitionen beschreiben darunter das Wissen, dass in bestimmten Situationen aufkommt, ohne dass man eine bewusste Wahrnehmung hat, vorher es kommt.

Es ist dabei gestützt auf Erfahrungen und Wissen, dass im laufe der Lebenszeit abgespeichert wurde.

Es steht dabei im Gegensatz zu dem bewussten, logischen Denken 2. Auf letztere Definition beziehe ich mich im weiteren Verlauf.

Es geht also um die Fähigkeit, schon abgespeichertes Wissen zu nutzen, um in bestimmte Situationen bestimmte Muster oder komplexe Systeme zu analysieren und daraus resultierend schnell eine Entscheidung treffen zu können.

Rolle der Intuition im Coaching

Der wichtigste Coach in deinem Leben ist deine Intuition. Manchmal brauchst du lediglich jemanden, der dich daran erinnert

Herzgedanken

Intuition ist nicht nur in jedem Coaching-Prozess vorhanden, sondern nimmt dabei auch eine sehr wichtige, leitende Rolle ein. Ich gehe in diesem Fall von einem Coaching-Prozess aus, in den zwei Personen eingebunden sind. Beide werden während des Coachings jeweils von ihrer Intuition geleitet.

Intuition des Coachees

Auch wenn bei der Entscheidung, ein Coaching wahrzunehmen die Intuition des Coachees bereits eine Rolle gespielt hat, beleuchte ich hier vor allem die Rolle der Intuition während des Coachings.

Ganz wichtig ist zu unterscheiden, welche Art von Coaching durchgeführt bzw. welche Methoden verwendet werden.

Die Intuition als wertvolles Instrument im Coaching-Prozess hat eine geringere Chance bei sehr rationalen Methoden gehört zu werden, während die Antworten und Handlungen des Coachees bei einem gefühlsorientierten Coaching oftmals stärker intuitiv getrieben werden.

Vergleicht man beispielsweise das innere Team mit den Konfliktverhaltensstilen bemerkt man gleich, dass diese Methoden auf unterschiedlichen Ebenen ablaufen und anderes Denken des Coachees verlangen.

Während der Coachee bei den Konfliktverhaltensstilen aufgefordert wird sehr rational und bewusst darüber zu entscheiden, welche Stile und damit Herangehensweisen es gibt, werden beim inneren Team eher unbewusste und gefühlsorientierte Gedanken abgefragt.

Auch wenn man meint, dass es vor allem um rationales Denken bei manchen Methoden geht, gibt es kaum einen Coaching-Prozess, in dem die Intuition keine Rolle spielt.

Kommt man zurück auf die Konfliktverhaltensstile begreift man schnell, dass beispielsweise bei der Auswahl der letztendlichen Konfliktverhaltensstil für die Lösung des Konfliktes bzw. bei der Bewertung der einzelnen Stile wieder auf die Intuition zurückgegriffen wird.

Es braucht also nicht einer bewussten Erklärung, warum der eine Stil vielleicht mit einer 4, ein anderer mit einer 6 bewertet wird.

Die Entscheidungsfindung des Coachees im Coaching ist also immer (mal mehr, mal weniger) intuitiv.

Besonders interessant wird es aber gerade dann, wenn das Coaching nicht auf einer rationalen Ebene abläuft, sondern auch gezielt das Unbewusste durch das Erleben einbindet, wie es zum Beispiel im hypnosystemischen Arbeiten der Fall ist.

Intuition des Coaches

Auch wenn der Coach nicht die Antworten und damit den inhaltlichen Teil des Coachings übernimmt, spielt die Intuition beim ihm/ihr eine wesentliche Rolle in der Prozessleitung.

Gleich mit der ersten Begegnung hat der Coach ein Gespür für den Coachee, der Coach wird also intuitiv den Coaching-Stil etwas an den Coachee anpassen.

Der Coach wird sich ebenfalls je nach Gefühl, ohne rationales Nachdenken, eher für die eine, als die andere Methode entscheiden. Dies ermöglicht es dem Coach sich auf den Coachee einzulassen, Signale und Verhaltensweisen unbewusst zu verarbeiten und geeignete Verhaltensmuster zu spiegeln.

Nach einiger Übung und Erfahrung wird der Coach auch die Geschwindigkeit der Arbeit an den Coachee anpassen. Gerade durch solch ein intuitives Handeln kann eine gute Beziehung zwischen Coach und Coachee aufgebaut und dabei eine vertrauensvolle Arbeit ermöglicht werden.

Unconscious Bias

Jeden Tag verarbeiten wir eine Vielzahl an Eindrücken.

Um dies zu bewältigen, folgt unser Gehirn einem bestimmten System, wobei die Kategorisierung von Informationen eine große Rolle spielt.

Diese Kategorisierung ermöglicht uns die Eindrücke zu sortieren, einzuordnen und abzuspeichern.

Lerne ich also, dass der Himmel blau ist, werde ich oft an den Himmel denken, wenn ich nach Assoziationen zu der Farbe „blau“ gefragt werde.

Da zwei Dinge in einem Zusammenhang immer wieder auftauchen und die entsprechenden Neuronen aktiviert werden, vernetzen sich diese und ermöglichen diese Assoziationen.

Wie der kognitive Psychobiologe Donald O. Hebb sagte:

Cells that fire together wire together.

Diese Assoziationen und Kategorisierungen sind als per se sehr hilfreich, denn sie ermöglichen uns schnelles und assoziatives Denken und damit auch schnelle Reaktionen.

Begegnet man einem Wolf oder Tiger, ist es gut, wenn gleich eine Reaktion ausgelöst wird, ohne, dass darüber bewusst nachgedacht werden muss.

Aber: Die Vernetzung und Kategorisierung sind ein Ergebnis der Erfahrungen, die wir bisher im Leben gemacht haben.

Sie entsprechen also nicht dem realen Weltbild, sondern nur dem Ausschnitt, den ich wahrgenommen habe. Somit kann es also passieren, dass ich eine Sache nur in Verbindung mit einer anderen kennengelernt habe und somit nur ein verzerrtes Bild habe.

An einem Beispiel erklärt3 :

Höre ich in den Nachrichten und über verschiedene Werbekanäle immer nur, dass es sich bei Afrika um einen sehr armen Kontinent handelt, in dem Kinder hungern, viele schwere Krankheiten vorherrschend sind, und die Bildung nicht besonders gut ist, werde ich auch nur das mit Afrika verbinden.

Was ich vielleicht nicht weiß, ist was die Menschen bewegt, was Teil der Kultur ist, welche Unterschiede es zwischen den Ländern in Afrika oder auch welchen Reichtum es in bestimmten Regionen gibt.

Wie auch?

Ich kann nur auf die Informationen zurückgreifen, die ich in meinem Leben bisher erhalten habe.


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Quellen bis hierher

1 Duden: https://www.duden.de/rechtschreibung/Intuition
2 Dorsch Lexikon der Psychologie: https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/intuition#search=b5f779c149efd0091da30b0a1e17b4bf&offset=0
3 Ich beziehe mich hier auf den TedTalk „The danger of a single story“, gesprochen von Chimamanda Adichie