ein Tool für die Entscheidungsfindung
Abschlussarbeit von Carolin Rau, als PDF lesen
Ursprung
Der Ursprung des Tetralemma liegt in der indischen Philosophie bzw. Logik und wurde dort in der Rechtsprechung verwendet.
Anders als in der europäischen Logik, entweder das „Eine“ oder das „Andere“, beinhaltet die indische Logik zwei weitere Positionen, nämlich „Beides“ oder „Keines von Beiden“. Darüber hinaus gibt es noch eine fünfte Position, welche besagt „All dies nicht uns selbst das nicht“.
Dank Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer dient das Tetralemma heute als Coachingtool. Sie haben das Tetralemma für ihre Arbeit mit der systemischen Strukturaufstellung verbunden.
Es handelt sich um ein spezielles Format der systemischen Strukturaufstellung, die Tetralemma Aufstellung.
Ausgangssituation ist dabei eine Situation einer Zwickmühle. Also eine Situation die vermeintlich nur zwei Entscheidungsoptionen bietet, die beide zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen.
Ziel der Methode
Das Tetralemma bietet sich an, wenn der Klient sich zwischen zwei Alternativen nicht entscheiden kann.
Insbesondere, wenn bereits beide Möglichkeiten ausführlich durchdacht und abgewogen wurden, kann das Tetralemma neue und überraschende Impulse und Handlungsspielräume ermöglichen.
Der Klient wird angeregt neue Denkweisen einzugehen und querzudenken.
Die Anwendung des Tetralemma ermöglicht es dem Klienten von der Verstandsebene in die Bauchebene zu gelangen und somit durch Perspektivwechsel neue Denkweisen einzugehen.
Beschreibung der einzelnen Positionen im Tetralemma
1. Das Eine:
Lösungsoption A
(beispielsweise eine Lösung die ein Klient als einzig richtige sieht und für ihn im Vordergrund steht)
2. Das Andere:
Lösungsoption B
(steht im direkten Gegensatz zu Position A)
3. Beides:
Integration von A und B
hier muss keine Entscheidung zwischen „dem Einen“ und „dem Anderen“ getroffen werden.
Bei dieser Position entwickelt der Klient neue Ideen, sodass A und B miteinander verbunden werden können.
4. Keines von Beiden:
Hier können Lösungsideen entstehen, die weder „das Eine“, noch „das Andere“ und auch kein „Beides“ beinhalten.
Die Lösung liegt dort, wohin noch gar nicht gedacht wurde.
Auch hier braucht es manchmal etwas länger, bis neue Ideen entstehen.
5. All dies nicht und selbst das nicht:
Hier nimmt der Klient die Metaperspektive ein, diese erlaubt es neu und kreativ zu denken sowie die bisherigen Muster zu unterbrechen
meist gibt es ein Thema hinter dem Thema → neue Zieldefinition
(Ergänzung, in den meisten Fällen wird diese 5. Position nicht benötigt)
Ablauf des Tetralemma
Jeder Coachingprozess startet mit einer Auftragsklärung. Die Auftragsklärung ist ein sehr wichtiger und zentraler Bestandteil im Coaching.
In diesem Prozessabschnitt wird sowohl der Auftrag als auch das Ziel für den weiteren Coachingprozess definiert, damit beiden (Coach und Klient) die Aufgabenstellung und das Ziel eindeutig klar sind.
Der Coach hält die Verantwortung für den Prozess, ist neutral und bietet (in der Regel) keine Lösungsvorschläge an. Die Lösung liegt im Klienten selbst.
Mögliche Fragen zur Auftragsklärung könnten lauten:
– Worum soll es heute gehen?
– Woran würdest du merken, dass das was wir machen, für dich hilfreich ist?
– Was möchtest du nach der heutigen Coachingstunde erreicht haben?
– Welche Teilziele sind denkbar?
– Woran könntest du merken, dass wir auf dem richtigen Weg sind?
Für die Durchführung des Tetralemma eignet sich besonders die Aufstellungsarbeit.
Dies können Bodenanker anhand von Moderationskarten sein, Stühle, die im Raum aufgestellt werden oder Spielfiguren.
Der Einsatz von sogenannten Bodenankern verstärkt in der Regel die Wirkung von Inventionen mit Strukturaufstellungen.
Der Coach führt den Klienten nun durch alle Positionen, indem er den Klienten erstmal die Karten schreiben lässt. Diese werden nun auf dem Boden verteilt.
Der Klient stellt sich zu Beginn auf die erste Karte „Das Eine“. Der Klient beschreibt genau was „das Eine“ ist und wie es sich anfühlt.
Für den Coach sind hier neben dem Gesagten auch Mimik, Körperhaltung und Stimmlage ausschlaggebend.
Wichtig ist, dass der Klient beschreibt, wie er sich fühlt, wenn er auf der Karte steht.
Tauchen Geschmäcker, Gerüche, Erinnerungen oder sonst etwas auf?
Anschließend geht der Klient auf das Feld „Das Andere“. Auch hier beschreibt der Klient genau was „das Andere“ ist und wie es sich anfühlt.
Auch hier sind Mimik, Körperhaltung und Tonlage relevant. Was spricht für und was spricht gegen „Das Andere“?
Und welche Emotionen treten auf, wenn der Klient davon spricht.
Danach stellt sich der Klient auf das Feld „Beides“. Hier wird nun getestet, ob auch beides möglich wäre.
Wie fühlt es sich an, wenn eine Kombination aus beidem möglich wäre und wie könnte es aussehen?
Welche Ideen hat der Klient beides vereinen zu können?
Welche Aspekte sind relevant, um glücklich zu werden.
Auch hier ist es wichtig auf Mimik, Körpersprache und Stimmlage zu achten.
Danach stellt sich der Klient auf das Feld „Keines von Beiden“. Fühlt der Klient sich mit beiden Positionen „Das Eine“ oder „Das Andere“ nicht wohl, sollte man herausfinden, warum er überhaupt vor der Entscheidung steht und ob es für ihn zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt wichtig ist eine Entscheidung zu treffen.
Spielen andere Personen eine Rolle dabei?
Möglicherweise liegt die Lösung woanders.
Danach stellt sich der Klient auf das Feld „All dies nicht und selbst das nicht“. Der Klient nimmt eine Metaperspektive ein, die ihm erlaubt neu und kreativ zu denken und gegenwärtige Muster zu unterbrechen. Die Karte ermöglicht es auch einfach zu träumen.
Geht es am Ende vielleicht um etwas ganz anderes?
→ Thema hinter dem Thema
Ergänzend muss hinzugefügt werden, dass die 5. Karte „All dies nicht und selbst das nicht“ nicht immer zum Einsatz kommt. Wenn das Tetralemma schon nach der 4. Karte ein gutes Ergebnis aufweist, ist es in der Regel nicht erforderlich die 5. Karte noch zu legen.