Himmelweiter Unterschied?
Abschlussarbeit von Alexandra Burkhardt, als PDF lesen
Einleitung
Es ist eine viel diskutierte Frage, wo, welche Unterschiede zwischen Systemischem Coaching und Systemischer Beratung liegen.
Da beide Begriffe nicht geschützt sind, gibt es voneinander abweichende Auffassungen, was unter Systemischem Coaching und Systemischer Beratung verstanden wird.
Je nach Ausbildungsanbieter bestehen Unterschiede bezüglich der vermittelten Modelle, Inhalte, Werte, Haltungen und dem Einsatz in der Praxis. Oft ist eine Coachingausbildung praxisorientierter und stärker auf die mögliche Intervention bezogen.
Dies kann jedoch nicht verallgemeinert werden.
In dieser Arbeit werden beide Ansätze mit Blick auf ihre Prozessorientierung und dem Ziel der Interaktion auf Augenhöhe dargestellt, wobei nur ein grober Überblick gegeben werden kann und keinesfalls der Anspruch auf eine ganzheitliche Darstellung beider Ansätze besteht.
Zunächst haben sich die beiden Ansätze bei unterschiedlichen Zielgruppen entwickelt.
Systemische Beratung kommt, dem Ursprung der Beratung im familiären Umfeld entsprechend, eher aus dem sozialen Kontext. Systemisches Coaching hat sich zunächst eher im Businesskontext etabliert.
Entsprechend des im Folgenden dargestellten Verständnisses wird deutlich, dass mit ähnlichen Intentionen und Methoden gearbeitet werden kann, womit sich die beiden Ansätze immer mehr vermischen. Systemische Berater im Unternehmenskontext agieren heutzutage oft ähnlich wie ein Coach.
Systemischer Ansatz
Die Systemtheorie hat ihren Ursprung in dem ersten sozialen System, in dem wir uns befinden, der Familie.
Neben diesem System interagieren wir Menschen in vielen anderen Systemen.
Ein System ist nicht nur die Summe mehrerer Teile sondern besteht aus Einzelteilen, die miteinander in Abhängigkeit stehen, sich gegenseitig beeinflussen und gemeinsam eine zusammenhängende Einheit ergeben. Diese zusammenhängende Einheit lässt sich von allen außerhalb des Systems liegenden Dingen abgrenzen.
Die Systemtheorie benennt zusätzlich unterschiedlichen Systemebenen, die gleichfalls miteinander in Beziehung stehen und sich gegenseitig beeinflussen.
Am Beispiel eines Unternehmens kann dieses als Ganzes ein System sein.
Wenn das Unternehmen in einzelne Geschäftseinheiten eingeteilt ist, die eigenständig agieren, sind diese Geschäftseinheiten je ein Subsystem.
Dem Systemischen Ansatz liegt zugrunde, dass alle Einzelteile wie bei einem Mobilé miteinander verbunden sind. Deshalb wirkt sich eine Veränderung an einem Teil des Mobilé auch auf die anderen Teile aus und das gesamte System kommt in Bewegung.
Somit wird bei diesem Ansatz nicht nur der Einzelne betrachtet sondern das ganze System, in dem sich jemand bewegt.
Durch das Zusammenwirken aller Teile des Moblié bestimmt sich das Verhalten des Ganzen.
Ansinnen ist, der Komplexität des Systems gerecht zur werden sowie die gegenseitigen Beeinflussungen und Wechselwirkungen zu beachten.
Der Hauptfokus liegt dabei auf Mustern und Regeln, auf Veränderungen des Systemzustandes sowie den Strukturen und dem Verhältnis der einzelnen Bestandteile im Gesamtsystem.
Beim Systemischen Ansatz geht es um zirkuläres Denken. Häufig treffen wir im Unternehmenskontext eher auf linear-kausales Denken, welches vergangenheitsbezogen ist (Ursachen-Wirkungsfolge).
Bei linear-kausalem Denken wird jedoch die Komplexität reduziert, da das Umfeld und möglichen Wechselwirkungen aller Beteiligten sowie innere Vorgänge beim Betroffenen ignoriert werden.
Bei zirkulär-kausalem Denken steht im Mittelpunkt, dass nie davon ausgegangen werden kann, dass ein bestimmtes Ergebnis auf eine einzige klar auszumachende Ursache zurückgeführt werden kann.
Vielmehr betrachtet zirkulär-kausales Denken die Wechselbeziehungen zwischen dem Verhalten eines Klienten und dem Verhalten anderer im System. Dabei ist der Systemische Ansatz lösungs- sowie ziel- und nicht vergangenheitsorientiert.
Systemische Beratung
Hier wird die Systemische Beratung von Führungskräften und Personal im Kontext eines wirtschaftlich orientierten Umfelds beleuchtet. Beim Verständnis von Beratung als “sich beraten” wird das Miteinander und die gemeinsame Problemlösung auf Augenhöhe fokussiert.
Mit diesem Blickwinkel des partizipativen Beratungsbegriffs liegt der Schwerpunkt auf der Stärkung der eigenverantwortlichen Lösungsentwicklung und -umsetzung.
In einer prozessorientierten Beratung bringt der Berater den Klienten mit Einsatz geeigneter Instrumente dazu, eigene Reflektionsergebnisse und Lösungen zu entwickeln.
Damit soll das Kompetenzgefälle aus der klassischen Inhalts- oder Expertenberatung vermieden werden.
Hier finden sich die Berührungspunkte zwischen Beratung und Coaching.
Ein prozessorientiertes Beratungsverständnis ist in vielen Aspekten dem Coaching-Verständnis der systemisch-konstruktivistischen Schule ähnlich, da jeweils auf die Prozessgestaltung und die Interaktion auf Augenhöhe abgestellt wird und inhaltliche Ratschläge vermieden werden bzw. sich auf den Prozess beziehen.
Systemische Beratung nach diesem Verständnis lässt sich mit folgenden Punkten beschreiben:
– Zielgruppe sind in der Regel Organisationen, Firmen, Unternehmen oder Teile von diesen.
– Der Berater gibt mit Interventionen lediglich Impulse, aus denen der Klient etwas macht. Die Einflussmöglichkeit des Beraters ist begrenzt.
– Das Berater-System kann aus mehreren Beratern mit unterschiedlichen Rollen bestehen.
– Berater öffnen den Blick auf Widersprüche bezüglich verändern und bewahren. Die Entscheidung, wie er damit umgeht, trifft der Klient selbst.
– In Relation zum Sinn hat alles seine Funktion. Die Frage danach, was Gutes am Schlechten ist und Schlechtes am Guten, kann helfen.
– Die Funktionalität zu definieren, ist Sache des Klienten.
Der Berater hat die Aufgabe mit dem Klienten permanent eine Reflektionsschleife zu durchlaufen:
Auch das Einbringen eines inhaltlichen Inputs kann als systemische Intervention angesehen werden, wenn dies mit der Absicht eines Energizers bzw. einer bewussten Verwirrung des Klienten erfolgt, es aber dennoch dem Klienten überlassen bleibt, was er damit macht.
Interventionsarchitektur und Interventionsdesign
Interventionsarchitektur
Der Berater gestaltet seine Interventionsplanung in Abhängigkeit von der Organisation des Klienten.
Dabei werden Strukturen geschaffen, die erwünschten Kommunikationsabläufen den Weg bereiten und Blockaden möglichst verhindern.
Ähnlich eines Architekts der die Umgebung, den Baugrund sowie die Bedürfnisse des Bauherrn bei seinen Entwürfen zu berücksichtigen hat, plant der Berater den Gesamtablauf eines Beratungsprozesses und gestaltet diesen gemeinsam mit dem Klienten.
▪ Welche manifesten und latenten Inhalte sind zu bearbeiten?
▪ In welcher Reihenfolge?
▪ Welchen zeitlichen Rhytmus vertragen die sozialen Strukturen?
▪ Welche Zielgruppe wird wann und wie einbezogen?
▪ Welcher räumliche Rahmen ist passend?
▪ Was passiert zwischen den fixierten Rhytmen?