Abschlussarbeit von Anna Rings, als PDF lesen
Einleitung
26 Prozent der Menschen in Deutschland fühlen sich häufig und immerhin noch zwei Drittel manchmal gestresst:
Das zeigt eine Forsa-Umfrage, auf welche sich die TK- Stressstudie „Entspann dich, Deutschland!“ von 2021 bezieht.
Diese Anteile sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen, denn im Jahr 2013 fühlte sich nur jede fünfte Person häufig gestresst. Der Stress greift um sich, bei Frauen wie bei Männern.
Der extreme Stress bei Frauen liegt derzeit so hoch, dass fast ein Drittel davon betroffen ist. Auch wenn Männer in den vergangenen Studien weniger Stressempfinden darlegten, holen sie die Frauen in den letzten Jahren zunehmend auf.
Als häufigste Verursacher des Stress konnten die Arbeit, hohe Erwartungen an sich selbst sowie die Erkrankung nahestehender Personen ausfindig gemacht werden.
Aber auch die ständige Erreichbarkeit, Freizeitstress, finanzielle Sorgen, private Konflikte, Kinderbetreuung sowie die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger, Verkehr und Haushalt wurden häufig als Stressoren genannt (Techniker Krankenkasse 2021: 4).
Höchstwahrscheinlich bildet das Jahr 2021 eine Besonderheit aufgrund der Corona Pandemie ab, nichtsdestotrotz ist ein Trend hin zu größerem Stressempfinden erkennbar.
Das zieht weitere Probleme nach sich, denn Stress gilt als bekannte Ursache für gesundheitliche Probleme aller Art. Das zeigt auch die Stressstudie:
Quer durch alle Beschwerden, von Erschöpfung über Rückenleiden bis hin zu Erkältungskrankheiten, geht es den häufig Gestressten signifikant gesundheitlich schlechter als den selten Gestressten.
(2021: 4)
Umso relevanter wird es dadurch, sich mit Gegenmaßnahmen zu befassen.
Neben dem bekannten Stressmanagement gilt die Resilienz, Fähigkeit mit Krisen zurechtzukommen, als wichtiger Faktor im Umgang mit Stress.
Im Regelfall ist Stress kein Dauerzustand, sondern ist immer phasenweise erhöht – kurz vor einer wichtigen Veranstaltung im Job, das Kind ist in der Trotzphase oder das Festhängen im Stau kurz vor einem Termin.
Resilienz erlaubt uns, diesen Phasen gestärkt zu begegnen und sie gut zu überstehen, indem wir danach wieder in den vorherigen Zustand kommen können.
Diese Arbeit beschäftigt sich im ersten Teil mit der Resilienz an sich, nämlich der Bedeutung des Begriffs sowie den Kennzeichen von Resilienz (innere und äußere Schutzfaktoren sowie die acht Resilienzfaktoren). Im zweiten Teil wird die Stärkung der Resilienz durch Coaching thematisiert und hier insbesondere Methoden für das Coaching vorgeschlagen.
Resilienz
Eine Begriffsdefinition
Der in verschiedenen Wissenschaften angewendete Begriff der Resilienz geht auf das lateinische Adjektiv „resilire“ zurück, was so viel wie „abprallen“ oder „zurückspringen“ bedeutet.
In der Psychologie wird darunter zum einen psychische Widerstandsfähigkeit und zum anderen Anpassungsfähigkeit verstanden. Sie gilt als wichtiger Beitrag zu Gesundheit und Wohlbefinden (Liu, Jenny J.W. et al. 2020).
Das Verständnis des Begriffes hat sich über die Jahrzehnte verändert und weiterentwickelt. Während in den 1970er Jahren mit Resilienz die Widerstandsfähigkeit gegen Stress gemeint war, ging es in den 1990er Jahren mehr um die Widerstandskraft gegen Widrigkeiten oder nach traumatischen Erfahrungen (Uhrig 2020).
Eine neuere Definition stammt von der American Psychological Association und vereint beide Definitionsströmungen:
Prozess der guten Anpassung angesichts Widrigkeiten, Trauma, Tragödien, Bedrohungen oder anderen wesentlichen Quellen von Stress
(2020).
Alternative Definitionen greifen die Synonyme Elastizität, Robustheit oder Toleranz gegenüber Störungen auf (Amann 2019: 8).
Trotz dass Strömungen in der Psychologie davon ausgehen, dass Resilienz eine (feste) Eigenschaft oder Fähigkeit eines Menschen ist, sprechen sich aktuellere Strömungen dafür aus, dass es sich dabei um einen Prozess, und damit eine erlernbare und sich weiterentwickelnde Fähigkeit handelt.
Das bedeutet gleichzeitig, dass sie je nach Lebenslage oder Belastung verschieden ausgeprägt sein oder ausfallen kann (2019: 6). Sie zeigt sich besonders in Krisensituationen, da dort die persönlichen Ressourcen zur Krisenbewältigung zum Einsatz kommen.
Was resiliente Menschen ausmacht
Bei der Resilienz handelt sich also um persönliche Eigenschaften eines Menschen, die sich sowohl durch die genannte Widerstandsfähigkeit und Belastbarkeit als auch durch Flexibilität zur Anpassung auszeichnen.
Nach Phasen der Anspannung wie Krisen, Traumata oder weiteren Belastungen können sie wieder zu ihrem vorangegangen Zustand, wie z.B. Erholung und Entspannung, Ruhe, Gesundheit, Zufriedenheit oder Gelassenheit zurückkehren (Amann 2019: 6).
Langzeitstudien haben sogenannte Schutzfaktoren ausfindig gemacht, welche bei resilienten Menschen vorkommen. Hierbei wird zwischen inneren und äußeren Schutzfaktoren unterschieden.
Innere Schutzfaktoren
Mit inneren Schutzfaktoren sind Eigenschaften der Persönlichkeit bzw. des Charakters, innere Haltungen und Überzeugungen, Talente und Fertigkeiten, Kompetenzen sowie Erfahrungen gemeint.
Sie liegen also in der Persönlichkeit eines Menschen oder entstehen durch Prägung und Erfahrungen, welche ein Leben lang erlernt werden können (Amann 2019: 9).
Diese Schutzfaktoren sollen nun genauer ausgeführt werden:
Persönlichkeits- und Charaktereigenschaften wird ein enger Zusammenhang mit Schutzfaktoren der Resilienz zugerechnet.
Als persönlichkeitsbezogene Eigenschaften, die resiliente Menschen gemeinsam haben, gelten in der Forschung Hilfs- und Kommunikationsbereitschaft, Freude am Lösen von Problemen, Humor sowie die Fähigkeit eine realistische Weltsicht zu entwickeln.
Bei den Schutzfaktoren der inneren Haltung stellte sich heraus, dass resiliente Menschen eher akzeptieren, dass Krisen und Belastungen Teil des Lebens sind und sich nicht nur auf die negativen, sondern auch die positiven Aspekte fokussieren und dabei erkennen können, was in ihrem Leben gut verläuft.
Sie macht die innere Haltung aus, realistische Erwartungen zu haben und insofern auch von Neuerungen nicht aus der Bahn geworfen zu werfen.
Als Talente resilienter Menschen wurden das Erleben der eigenen Person als selbstwirksam und selbstbewusst sowie das Gefühl einer inneren Stärke ausfindig gemacht.
Das führt dazu, dass diese Menschen aktiv handeln, um Veränderungen herbeizuführen.
Resiliente Menschen macht zudem aus, dass sie aus ihren (Krisen-)Erfahrungen lernen und dadurch Fähigkeiten und neue Einstellungen entwickeln, die ihnen wiederum bei der Lösung zukünftiger Probleme helfen. Dabei gilt:
Mit der Vielfältigkeit der Krisenerfahrung eines Menschen steigt seine Krisenkompetenz
(Amann 2019: 9-13).
Äußere Schutzfaktoren
Neben den inneren Schutzfaktoren, die ein Mensch in sich trägt bzw. sich aneignet, gibt es äußere Faktoren, welche die Resilienz stärken können.
Diese äußeren Schutzfaktoren sind Verhältnisse in der Umgebung eines Menschen, auf die er zurückgreifen kann. Dazu zählen stabile Lebensverhältnisse, Rollenvorbilder, feste und zuverlässige Bezugspersonen, ein stimulierendes Umfeld sowie die Weiterentwicklungsmöglichkeiten und Perspektiven (Amann 2019: 14).
Im Folgenden werden auch die äußeren Schutzfaktoren näher ausgeführt:
Krisen erfordern viel Kraft und innere Stärke, da die Prozesse der Lösungsfindung, Neuorientierung und Verarbeitung mehr Energie verbrauchen als in ruhigen Zeiten.
Stabile Lebensverhältnisse helfen besonders zwischen krisen- und belastungsintensiven Phasen zur Ruhe zu kommen und die Widerstandskraft wieder aufzubauen.
Positive Rollenvorbilder stellten sich als Schutzfaktoren heraus, da sie – auch unabhängig vom familiären oder schulischen Umfeld – Werte, Visionen oder Strategien vermitteln können.
Davon profitieren sowohl Kinder als auch Erwachsene.
Eine zuverlässige und feste Bezugsperson wird als Schutzfaktor im Kindes- sowie im Erwachsenenalter angesehen, da sie durch emotionalen Beistand besonders in Krisenzeiten Unterstützung bietet.
Ebenso kann sie durch die gemeinsame Reflexion der Krisensituation sowie die Förderung einer Neuorientierung dabei helfen, die Widerstandskraft nach Krisen wieder aufzubauen.
Zur Resilienz gehört, wie oben unter den inneren Schutzfaktoren aufgeführt, das Sammeln von Erfahrungen.
Hierfür braucht es ein stimulierendes Lernumfeld, in welchem sich ausprobiert werden darf und Fehler passieren dürfen. Gleichwohl ist es wichtig, dass es Möglichkeiten gibt, die eigenen Fähigkeiten einzusetzen und weiterzuentwickeln
Als weiterer äußerer Schutzfaktor gelten die Möglichkeit zur Weiterbildung und Perspektiven. Da die Freude am Lernen eng mit der Resilienz verknüpft ist, wirken Impulse zum Lernen und Wachsen resilienzfördernd (Amann 2019: 14-17).
Die 8 Resilienzfaktoren
Die Eigenschaften der inneren und äußeren Schutzfaktoren zusammengefasst sind auch bekannt unter den 8 Resilienzfaktoren:
Menschen sind widerstandsfähiger, wenn sie…
1 | eine optimistische Grundhaltung gegenüber Veränderungen besitzen und im Umgang mit neuen Situationen auf ihre Fähigkeiten und Talente vertrauen. | Optimismus |
2 | ihre objektiven Leistungsgrenzen akzeptieren und Rahmenbedingungen realistisch einschätzen können | Akzeptanz |
3 | Probleme offen ansprechen und lösungsorientiert vorgehen können | Lösungsorientierung |
4 | ein gutes Stressmanagement entwickeln, für ihre Bedürfnisse sorgen und Regenerationszeiten einhalten | Selbstregulation |
5 | bereit sind, Selbstverantwortung zu übernehmen und Eigeninitiative zu ergreifen. | Selbstverantwortung |
6 | bei Überforderung Hilfe von anderen annehmen können sowie ihre Beziehungen und Netzwerke pflegen. | Beziehungen |
7 | eigene Visionen, Werte, Sinnhaftigkeit und Ziele für ihr Leben entwickeln. | Zukunftsgestaltung |
8 | im Umgang mit unvorhergesehenen Ereignissen offen bleiben und improvisieren können. | Improvisationsvermögen |
Aus: Amann 2019: 18.