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Meine Rolle als Coach
Meine Entscheidung, systemische Coachin zu werden, entstand bereits vor einigen Jahren.
Während meiner Arbeit für unterschiedliche Bildungsanbieter in der Erwachsenenbildung habe ich festgestellt, wie erfüllend es ist, Menschen auf ihrem Weg der Veränderung als Begleiterin zur Seite zu stehen.
Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied
Eine Veränderung kann nur dann stattfinden, wenn der/die Klient*in dazu bereit ist und die eigenen Ressourcen erkennt.
Jeder trägt jedoch das Potenzial zur Lösung bereits in sich selbst.
Coaching unterstützt diese Lösungsfindung durch Anleitung zur Selbstreflexion und das Aufzeigen von Optionen.
Die Besonderheit, einen Menschen ausschließlich durch gezielte Fragen an einen Punkt zu begleiten, den er vermutlich bis dato noch nicht wahrnehmen konnte, ist für mich immer wieder ein Wunder.
Mein Wunsch, Menschen auf diesem Weg professionell begleiten zu können und mein Handeln entsprechend durch eine fundierte Ausbildung zu untermauern, hat mich dazu bewogen, den Schritt in die Ausbildung zu wagen.
Das systemische Arbeiten und Denken haben mich dabei besonders begeistert, weil es Prozesse und deren Beteiligte im Ganzen betrachtet und darüber hinaus auch davon ausgeht, dass jede/r Klient*in für sein/ihr Problem der/die Fachmann*frau ist.
Eine wunderbare Metapher für die Arbeit des systemischen Coachings ist ein Mobile.
Dies steht für ein bestimmtes System, in dem sich Menschen befinden und kann entweder den beruflichen oder den privaten Kontext betreffen; in manchen Fällen auch beides zugleich.
Wie das System genau aussieht, entscheidet der/die Klient*in.
Die genaue Betrachtung dieses ganz individuellen Systems ist dabei ausschlaggebend.
Als Beispiel könnte man im familiären Kontext z.B. eine Kernfamilie mit zwei Erwachsenen und einem Kind sowie die dazugehörigen Großeltern sehen.
Wenn diese Menschen Teil eines Mobiles sind, wird die kleinste Bewegung eine Veränderung im gesamten System bewirken und dies in Bewegung setzen, und zwar je nach Art der Veränderung weniger oder mehr.
Auch die Entscheidung über die jeweilige Bewegung – und ob überhaupt eine Veränderung innerhalb des Systems gewünscht ist – obliegt dem/der Klient*in.
Hieraus ergibt sich dann die Möglichkeit, verhärtete Positionen aufzuweichen und neu zu betrachten.
Da ich bereits einige Klienten in derartigen Prozessen der Klarheitsfindung begleiten durfte, möchte ich gerne ein Beispiel in dieser Abschlussarbeit aufführen.
Systemische Coaching-Tools im Sexualcoaching
Als ich mich intensiver mit den Themen systemisches Coaching und Sexualcoaching befasst habe, stieß ich auf Prof. Dr. phil Dipl.-Psych. Ulrich Clement, der maßgeblich zur Prägung der systemischen Tools in der Sexualtherapie beigetragen hat.
Prof. Dr. phil Dipl.-Psych. Ulrich Clement ist unter anderem Lehrtherapeut der Internationalen Gesellschaft für systemische Therapie (IGST). Darüber hinaus ist er Mitbegründer und Leiter des Instituts für Sexualtherapie Heidelberg.
Durch den Paradigmenwechsel in seinem Werk „Systemische Sexualtherapie“ beschreibt er, wie der Wechsel von der Konzentration auf die primär sexuelle Funktion hin zur Entwicklung eines individuellen sexuellen Profils gelingen kann und wie sich auch die Kommunikation beider Partner über die jeweiligen sexuellen Profile verbessern lässt.
Dies hat mich dazu inspiriert, mich tiefergehend mit dem Thema zu befassen.
In dieser Abschlussarbeit zeige ich auf, wie hilfreich die Methoden des systemischen Coachings für Sexualcoachings sein können.
Für das Coaching bediene ich mich in erster Linie systemischer Fragen, aber auch die Wunderfrage kann bei emotionalen Themen enorme Kraft entwickeln und zur Lösung beitragen.
Es finden jedoch nur einige Methoden Erwähnung in dieser Arbeit.
In diesen Prozessen sehe ich meine Rolle als die einer zurückgenommenen Begleiterin, die sich unvoreingenommen dem Anliegen des/der Klient*in widmet und die Person auf ihrem individuellen Lösungsweg begleitet.
Ausgangssituation
Die Klientin kontaktierte mich auf Empfehlung einer anderen Klientin über ein Netzwerk.
In einem ersten kurzen Telefonat berichtete die Klientin bereits sehr detailliert über ihr Thema und ihren Wunsch, tiefer in die Thematik einzutauchen und ihre „blinden Flecken“ herauszuarbeiten.
Dieses Erstgespräch fand bereits Ende Juni statt.
Da die Klientin schon erste positive Erfahrungen mit Coaching gemacht hatte, war ihr der grobe Ablauf eines Coachings bereits bekannt.
Ich habe sie dennoch über meine Verschwiegenheit und meine Arbeitsweise informiert.
Auftragsklärung
Zu Beginn des Coachings ließ ich mir von der Klientin mehr über sich und ihre derzeitige Situation berichten.
Die Klientin beschreibt sich als 36-jährige, beruflich erfolgreiche, seit 17 Jahren glücklich verheiratete Frau mit 2 Kindern.
Ihre Ehe schildert sie als harmonisch und zu Anfang sexuell auch sehr ausgewogen und befriedigend.
Im Laufe ihrer Ehe und nach der Geburt der gemeinsamen Kinder veränderten sich die Bedürfnisse und Interessen in der Paarbeziehung.
Nach einer Orientierungsphase haben sich meine Klientin und ihr Mann dazu entschieden, sich auch außerhalb der ehelichen Beziehung sexuell frei zu entfalten.
Ihre Situation stellt sie wie folgt dar:
Derzeit trifft sich die Klientin mit zwei weiteren männlichen Personen, zu denen sie ein freundschaftliches Verhältnis pflegt und sexuellen Kontakt hat.
Ihr Ehemann weiß über diese Bekanntschaften und ihre Besonderheiten Bescheid.
Sie pflegen völlige Offenheit zu allen Beteiligten, um Missverständnisse und Misstrauen zu vermeiden.
Für die Auftragsklärung habe ich u. a. das Tool des „Coaching-Hauses“ genutzt. Mittels dieses Tools erhielt ich einen guten Überblick bezogen auf:
Das Thema
○ Was führt Sie heute hierher?
○ Was möchten Sie heute besprechen?
○ Auf welches Thema möchten Sie sich heute konzentrieren?
Das System
○ Wer ist alles an diesem System beteiligt?
○ Wer ist inwiefern betroffen?
○ Wo bestehen Konflikte?
Die konkrete Situation
○ Wie ist Ihre derzeitige Situation?
○ Wie haben Sie sich verhalten?
○ Geht es nur Ihnen so? Geht es anderen Beteiligten auch so?
○ Was war der Auslöser?
Die Gefühlsbeschreibung
○ Wie fühlen Sie sich? Wie fühlt es sich an?
○ Wo können Sie das Gefühl wahrnehmen?
○ In welcher Situation ist das Gefühl da?
○ Assoziation des Gefühls mit Farbe/ Form/ Geschmack/ Geruch, etc.?
○ Was verbinden Sie mit dem Gefühl?
Das Ziel
○ Woran erkennen Sie, dass das Coaching für Sie erfolgreich war?
○ Was können Sie dazu beitragen, dass Sie Ihr Ziel erreichen?
Beobachtung
Bereits beim Einstieg in das Gespräch sind mir die Signale der Klientin aufgefallen.
Sie war sehr aufgeregt und hat sich schrittweise geöffnet. Über das Paraphrasieren vergewisserte ich mich, dass wir ein gemeinsames Verständnis bezüglich ihres Anliegens haben und stellte eine Verbindung her.
Um im weiteren Coachingprozess das Vertrauen der Klientin zu verstärken, ging ich forschend neugierig, aktiv zuhörend, positiv konnotierend vor und stellte hin und wieder Verständnis- und Konkretisierungsfragen.
Weitere systemische Fragen folgten.
Die Klientin berichtete von ihrer derzeitigen Situation und der damit einhergehenden emotionalen Belastung.
Trotz der klaren und ehrlichen Absprachen mit allen Beteiligten flammt immer wieder die Befürchtung in ihr auf, den involvierten Personen mit ihrem Verhalten Verletzungen zuzufügen oder dass sich diese gar verraten fühlen könnten, wenn sie neue Bekanntschaften schließt.
Die Perspektive, durch ihr Verhalten ihre Bekanntschaften unter Umständen zu verletzen, macht sie traurig und möchte sie möglichst vermeiden.
Das Fatale an dieser Situation für sie ist, dass sie aus einer ebenso gearteten ehelichen Verpflichtung bewusst ausgebrochen ist und sich nun selbst in ein neues und ähnlich festes Konstrukt hinein begibt.
Um eine messbare Größe für ihr Befinden und auch den Erfolg des Coachings zu erhalten, bat ich sie, mir einen Wert (von 1-10, wobei 10 das maximal zu erreichende Ziel ist) auf einer Skala zu nennen.
Sie gab an, emotional derzeit auf einer 4 oder 5 zu stehen. Zum Ende des Coachings wollte sie bei einer 8 sein.