Abschlussarbeit von Olga Konstantinow, als PDF lesen
„Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ (Sokrates)
Einleitung
Mit seiner Aussage behauptet Sokrates nicht, dass er nichts wisse. Vielmehr hinterfragt er das, was man zu wissen meint.
Dieses Zitat soll dazu dienen den ersten Eindruck zu der Haltung und der Rolle des systemischen Coaches zu verschaffen. Damit möchte ich zum Ausdruck bringen, dass der Coach es nicht besser weiß als der Klient und ihm nicht mit Ratschlägen die Lösung anbietet.
Vielmehr auf die Ressourcen des Klienten zugreift und mit dem Klienten gemeinsam einen Weg zum Ziel erarbeitet.
Haltung, Kontakt und Demut tragen signifikant dazu bei, ob die Coaching Session „erfolgreich“ verläuft oder nicht und ob eine Beziehung zwischen dem Coach und dem Klienten entsteht.
Dabei spielt die Haltung des Coaches eine wesentliche Rolle. Es handelt sich um Begegnungen zwischen zwei Menschen auf Augenhöhe, die auf Vertrauen basiert.
Der Klient steht stets im Fokus.
Der Coach richtet seine Aufmerksamkeit zum Klienten und begegnet ihm mit Offenheit, innerlicher Flexibilität, Empathie und Allparteilichkeit.
Ob der Klient sein Ziel erreicht oder nicht ist maßgeblich von der Haltung und von den Grundprinzipien des Coaches abhängig. Die Basis für ein wirksames Coaching ist geprägt von Respekt und Wertschätzung, Verschwiegenheit, Verantwortung, Neutralität und wie bereits erwähnt der Allparteilichkeit, Wechselseitigkeit, und der Grundhaltung des „nicht Wissens“.
Die Grundprinzipien bieten einen Rahmen, in dem sich der Coach und der Klient begegnen. Zusätzlich ist es erforderlich im Coaching Setting die Rollen und die Verantwortung des Coaches und des Klienten zu klären, bzw. sich dieser bewusst zu sein.
An dieser Stelle greife ich auf die Metapher der Kutschfahrt aus dem Skript zurück. Der Coach wird hier im übertragenen Sinne als Kutscher gesehen, der die Dienstleitung erbringt und der Klient als Fahrgast, der die Dienstleistung in Anspruch nimmt.
Das Fahrziel wird von dem Fahrgast bestimmt und kann während der Fahrt geändert oder angepasst werden. Der Kutscher kann sich nach der Motivation erkundigen und nach Bedarf eine Strecke oder sogar ein Alternativziel anbieten1.
Der Klient entscheidet darüber welches Angebot am besten passt, erarbeitet die Lösung und macht sich auf den Weg.
Definition Systemischer Coach
Der Begriff Coaching ist seit einiger Zeit in aller Munde und wird inflationär in unterschiedlichsten Richtungen angeboten.
Verkaufscoaching, Beziehungscoaching, Wellnesscoaching, Fitnesscoaching usw., man kann sich für und gegen alles coachen lassen. Jedenfalls dann, wenn man den Werbeanzeigen, Plakaten und Flyern Glauben schenkt. Systemisches Coaching scheint „easy“ zu sein, zu mindestens von außen betrachtet.
Das würden die Coaches jedoch so nicht charakterisieren, denn es ist kein „Tool“ was gleichermaßen auf jeden Klienten angewendet werden kann, wie eine Schablone, sondern aus einer Haltung hervorgeht und nicht vorab geplant werden kann.
Demnach kann keine „allgemeine Anleitung“ auf alle Klienten angewendet werden, denn es ist nicht prognostizierbar mit welchem Thema der Klient den Coach aufsucht 2.
Systemisches Coaching ist Beratung ohne Ratschlag, in der der Coach die Rahmenbedingungen, die Gestaltung des Coaching Prozesses für das Coaching stellt und der Klient die Verantwortung für den Inhalt, für die Lösung seines Themas übernimmt.
Die Inhalte, Themen und Probleme entsprechen unterschiedlichen Lebensbereichen: Beruf, Privatleben oder Organisation.
Im Beruf ergeben sich Fragen sein wie:
„Wie kann ich mich beruflich weiterentwickeln.“ „Welche nächsten Entwicklungsschritte passen für mich?“
Im Privatleben:
„Wie kann ich meine Glaubenssätze und Verhaltensmuster neugestalten.“
Oder Themen die Selbstmanagement betreffen. Im Feld der Organisation kann das Thema die Entwicklung des Unternehmens sein und die Fragen:
„Welche Herausforderungen und Auswirkungen können auf mein Unternehmen in nächster Zeit zukommen?“3
Zusammengefasst bedeutet Systemisches Coaching, dass der Coach den Kontext, indem das Thema oder das Problem des Klienten sich befindet, berücksichtigt.
Der systemische Coach führt eine unterstützende Rolle aus und der Klient erarbeitet eigenverantwortlich eine Lösung für sein Problem, aus einem der drei Gebiete – Beruf, Privatleben oder Organisation.
Der Kunde formuliert selbst sein Ziel und erarbeitet selbständig die Lösung, so gelangt er an maximale Erfolge bei der Umsetzung.
Was ist ein System?
Als System bezeichnet man Felder, in denen Menschen miteinander interagieren.
Die Betrachtung geht weg von der einzelnen Person, zu der erweiterten Perspektive, dass Menschen in unterschiedlichen Systemen zusammenwirken. Im systemischen Ansatz betrachtet man ein ganzes System, mit all seinen Einzelelementen, in dem sich der Mensch bewegt.
Dabei spricht man von unterschiedlichen Systemen in unterschiedlichen Beziehungen und Kontexten, wie beispielsweise Familien-, Organisations-, Unternehmenssystemen.
Ein System ist eine zusammenhängende Einheit, die aus Einzelteilen besteht, die sich gegenseitig beeinflusst und als Ganzes bemisst4.
Die Herausforderung für den Systemischen Coach besteht darin, sich in diesen komplexen Systemen zu bewegen, ein breites Verhaltensspektrum wahrzunehmen und zu bestimmen was als nächstes passieren wird.
Merkmale die ein komplexes System prägen:
• Austausch und Vernetzung
(Ausgetauscht werden Emotionen, Informationen, Dienstleitungen, etc. über das Kommunizieren)
• Zweck- und Zielorientierung
(Ein System ist auf ein Ziel ausgerichtet und erfüllt einen Zweck)
• Dynamik
(ein System ist in Bewegung, verändert sich und entwickelt sich weiter)
• Ordnung
(Systemverhalten, folg bestimmten Gesetzen und Verhalten)
• Selbstanpassung
(Anpassung des Systems an Anforderungen seiner Umwelt)
Haltung als Grundlage des Systemischen Coachings
Es gibt zwei grundlegend unterschiedliche Arten die Welt zu sehen, die wir als Menschen oder aber auch in der Rolle als Coach einnehmen können.
Je nach dem für welche davon wir uns entscheiden, bestimmt auf welche Art wir coachen.
Die „Gucklochhaltung“ von Foerster beschreibt metaphorisch die Haltung einer verschlossenen Tür, wir sehen durch das Guckloch was hinter der Tür geschieht.
Das, was hinter der Tür stattfindet, hat nichts mit uns zu tun und wir haben keinen Einfluss auf das Geschehen.
Hierbei nimmt der Coach die Haltung ein, in der er als Beobachter agiert, einen Überblick hat als Außenstehender und das Richtige raten kann.
Daneben gibt es noch die „Teil-der-Welt-Haltung“ von Foerster, die ein System beschreibt, in dem wir ein Teil des sozialen Systems sind, es beeinflussen können, handeln, an dem wir teilnehmen und teilhaben.
Somit sind wir ein Teil, ein Mitglied des Systems, sind dem nicht hilflos ausgeliefert und alle unseren Handlungen haben Konsequenzen und Auswirkungen5.
Rolle und Haltung als Coach
Die Haltung des Systemischen Coaches lässt die Probleme beim Klienten, da wo sie entstehen. Er gibt lediglich den Anstoß zur Problemlösung, diese finden dann bei dem Klienten selbst statt.
Damit ist der Coach für den Coaching Prozess verantwortlich und der Klient für die Problemlösung, bzw. Zielerreichung.
Mit dieser Haltung erübrigt sich der Druck, als Coach die Lösung des Problems liefern zu müssen.
Der Erfolg gebührt dem Klienten, denn er hat die Lösung selbst erarbeitet.
Radatz spricht von wichtigen Verhaltensbedingungen des systemischen Coachs, die die Haltung des Coaches bilden.6
• Vermittlung von Wertschätzung dem Klienten und dessen Situation
Hierbei soll vor Augen gehalten werden, dass es den Klienten Überwindung kostet ein Coaching in Anspruch zu nehmen und dabei um Hilfe für sein Anliegen zu bitten.
Dem vorangestellt ist, dass eine Wertschätzende Haltung eingenommen wird, egal wie trivial oder alltäglich das Problem im ersten Moment erscheinen mag. Der Klient sollte stets ernst genommen werden. 7
• Aktives Zuhören
Der Coach stellt zum Anliegen des Klienten angemessene Fragen und hört zu, dabei wiederholt der Coach was er verstanden hat.
Aktives Zuhören und das Wiederholen des Gesagten ist wichtig, da der Klient möglicherweise bereits Lösungsansätze, Kriterien oder Auswirkungen ausgesprochen hat. Durch das Wiederholen des Gesagten, können ihm die Lösungsmöglichkeiten besser zugänglich gemacht werden8.
• Zurückhalten der eigenen Meinung und Vermeidung von Ratschlägen
Ratschläge sind gut gemeint und werden aus diesem Grund nicht gern abgelehnt, passen jedoch nicht unbedingt auf das eigentliche Problem.
Dem Klienten werden zu seiner Realität eine weitere hinzugefügt, dabei gelangt der Klient in ein Dilemma, da er nun eine weitere Realität zum Abwägen hat. Der Coach sollte sich aus dem inhaltlichen Teil, mit seiner Meinung völlig raushalten.
Dies schützt nicht nur den Klienten vor „gutgemeinten Ratschlägen“, es schützt auch den Coach Lösungen liefern zu müssen und davor sich von der Thematik des Klienten befangen zu lassen9.
• Kreative Fragen stellen
Systemische Coaches stellen konstruktive Fragen, diese ermöglichen einen alternativen Denk- und Lösungsprozess und verschieben die Verantwortung in Richtung des Klienten.
Im Coaching geht es dabei mit wenigen aber richtig formulierten und lösungsorientierten Fragen, die im Coaching Prozess an der richtigen Stelle gestellt werden, Wirksamkeit zu erzielen10.
• Behalten von komplexen Zusammenhängen im Kopf oder auf Papier
Um bei all den Informationen, die der Coach vom Klienten erhält, die Übersicht zu behalten empfiehlt sich, besonders anfangs oder in den ersten Gesprächen, Notizen zu machen.
Es gilt dabei die unzähligen Details und Querverbindungen zu den Situationen und Personen, über die der Klient spricht, im Überblick zu behalten11.
Quellen bis hierher
1 Skript zur Ausbildung zum systemischen Coach
2 Vgl. S. Radatz (2010) Einführung in das Systemische Coaching, S. 15
3 S. Radatz (2010), Einführung in das Systemische Coaching S. 16
4 Skript zur Ausbildung zum systemischen Coach
5 Vgl. S. Radatz (2010) Einführung in das Systemische Coaching, S. 18
6 Vgl. S. Radatz (2009) Beratung ohne Ratschlag, S. 109
7 Vgl. S. Radatz (2009) Beratung ohne Ratschlag, S. 109
8 Vgl. S. Radatz (2009) Beratung ohne Ratschlag, S. 110
9 Vgl. S. Radatz (2009) Beratung ohne Ratschlag, S. 111 ff.
10 Vgl. S. Radatz (2009) Beratung ohne Ratschlag, S. 111
11 Vgl. S. Radatz (2009) Beratung ohne Ratschlag, S. 112