Perspektivwechsel fürs Leben
Abschlussarbeit von Markus Lange, als PDF lesen
Egal, wie schwer dein Problem auch ist!
Sich am Ellbogen zu lecken, ist schwerer!Konfuzius
Viele kennen die Geschichten rund um Harry Potter. Ein Junge taucht mit elf Jahren in die Zaubererwelt ein. Hier lernt und erfährt er, aus welchem Grund seine Eltern gestorben sind.
Ein mächtiger Zauberer (Lord Voldemort) hat seine Eltern getötet und wird als das personifizierte Böse beschrieben. Im Laufe der sieben Bücher hat Harry immer mal wieder Begegnungen mit Lord Voldemort.
Hierbei bilden sich Werte und Verhalten im Kampf gegen das Böse.
Eine Prophezeiung im fünften Band stellt Harry als einzigen Retter dar, der Lord Voldemort besiegen kann:
„Und der Eine muss von der Hand des Anderen sterben, denn keiner kann leben, während der Andere überlebt“ 1
Die Aussicht, dass Harry gezwungen wird, Lord Voldemort zu töten, zermürbt Harry. Er weiß nicht, wie er damit umgehen soll. Im Gespräch mit Albus Dumbledore (das personifizierte Gute und Gegenpol von Lord Voldemort) kommt es zu einem mentalen Wendepunkt:
„»es läuft doch alles auf dasselbe hinaus, oder? Ich muss versuchen, ihn zu töten, oder -«
»Du musst?«, sagte Dumbledore.
»Natürlich musst du! Aber nicht wegen der Prophezeiung! Weil du, du selbst, nie ruhen wirst, bis du es versucht hast! Wir beide wissen es! Stell dir bitte nur für einen Moment vor, du hättest diese Prophezeiung nie gehört! Wie würdest du jetzt über Voldemort denken? Überleg!«“ […] „
»Ich würde wünschen, dass ihm ein Ende bereitet wird«, sagte Harry leise.
»Und ich würde es selber tun wollen.«
»Natürlich!«, rief Dumbledore.
»Verstehst du, die Prophezeiung bedeutet nicht, dass du irgendetwas tun musst! Aber die Prophezeiung hat Lord Voldemort veranlasst, dich als sich Ebenbürtigen zu kennzeichnen … mit anderen Worten, du bist frei, deinen Weg zu wählen, es steht dir vollkommen frei, der Prophezeiung den Rücken zuzukehren! Aber Voldemort misst der Prophezeiung immer noch Bedeutung bei. Er wird dich weiterhin jagen … und deshalb ist es in der Tat sicher, dass -«
»Dass einer von uns schließlich den anderen tötet«, sagte Harry.
»Ja.« Doch er begriff endlich, was Dumbledore ihm zu erklären versucht hatte. Es ging, dachte er, um den Unterschied, den es machte, ob man in die Arena hineingeschleift wurde, um einen Kampf auf Leben und Tod auszutragen, oder ob man erhobenen Hauptes in die Arena einzog. Manche würden vielleicht sagen, dass diese beiden Möglichkeiten sich kaum unterscheiden, aber Dumbledore wusste – und ich weiß es auch, dachte Harry in einer jähen Anwandlung von grimmigem Stolz, ich weiß es, wie meine Eltern es wussten -, dass dies ein himmelweiter Unterschied ist“.2
Was ist hier passiert?
Dumbledore hat Harry eine hypothetische Frage gestellt: Er sollte sich den Zustand ohne Prophezeiung vorstellen – und somit den Zustand ohne diesen aufgebürdeten Druck. Er hat Harry dazu eingeladen, einen Perspektivwechsel vorzunehmen.
Harry hat alle Vorkommnisse mit dem Perspektivwechsel erneut betrachtet und ist zu dem Entschluss gekommen, dass das Ergebnis das selbe sein würde: er wird sich dem Bösen im Kampf stellen. Jedoch mit einem kleinen Unterschied: ganz ohne Druck und aus einer vollkommen freien Entscheidung. Man könnte fast sagen, dass das Zielbild das gleiche ist, jedoch der Rahmen ausgetauscht wurde (Reframing).
Dieses Reframing hat dazu geführt, dass Harry durch seine intrinsische Motivation handelt und nicht durch einen extern herbeigeführten Druck. Mit dieser Motivation als Antrieb schafft es Harry im letzten Band, Lord Voldemort zu besiegen.
Das Gute siegt über das Böse.
Reframing
Laut dem Duden bedeutet „Reframing“ die Änderung des gedanklichen Bezugsystems oder einen Perspektivwechsel.3
Geprägt hat diese Technik besonders Virginia Satir in der Familientherapie und Milton H. Erickson in der Hypnotherapie. Es hat ebenfalls im NLP (Neurolinguistische Programmierung) und in der Provokativen Therapie einen besonders hohen Stellenwert.4
Reframing, was sich aus dem englischen Wort „Frame“ (Rahmen) ableitet, bedeutet, dass wir die Bedeutung von dem jeweiligen Rahmen abhängig machen. Dieser Rahmen kann ein Ereignis, eine Aussage, ein Verhalten, ein Glaubenssatz, ein Auslöser, ein Reiz oder ähnliches sein.
Wenn sich ein Bild anstatt in einem schwarzen Rahmen in einem violetten Rahmen befindet, hat es eine andere Wirkung auf den Betrachter.
Man kann sich über einen schmutzigen Teppich mit Pfotenabdrücken des Hundes ärgern oder sich darüber freuen, dass der Hund anscheinend draußen viel Spaß hatte. Dieses Neurahmen, wenn Kontext und Situation erhalten bleiben, nennt sich Bedeutungs-Reframing. Es wird die emotionale Bedeutung eines Ereignisses neu interpretiert.5
Empfindet man eine Eigenschaft(Bedeutung) bei sich oder jemand anderem als negativ, kann nach einem neuen Kontext gesucht werden, in der die Eigenschaft als positiv empfunden wird.
In ihrem Buch „Reframing. Ein ökologischer Ansatz in der Psychotherapie“ führen Richard und Bandler ein Beispiel von Virginia Satirs auf. Hier kommt ein Familienvater zur Therapiesitzung und beklagt sich über seine sture Tochter.
Virginia Satir fragt ihn:
„Stellen Sie sich vor, Ihrer Tochter würde von einem Mann belästigt. Wäre es nicht sehr nützlich, wenn sie dann stur wäre?“ 6
Der Vater antwortet darauf, dass in dieser Situation eine Sturheit tatsächlich eine gute Eigenschaft sei.
Was ist geschehen?
Es wurde die gleiche Eigenschaft genommen und in einem neuen Kontext gesetzt (Kontext-Reframing).
Die vermeintlich negative Eigenschaft kann mit anderen Augen gesehen werden.
Reframing führt dazu, dass das selbe Ereignis in einem neuen Licht erscheinen kann, sodass neue Reaktionen oder neues Verhalten möglich ist.
Redet sich in einem Coaching-Prozess der Coachee in eine Negativ-Spirale und behauptet durchgehend, er sei zu faul, um Dinge anzugehen, kann der Coach kurz unterbrechen und folgende Sätze einwenden:
„Sie können also gut auf Ihre Belastungsgrenzen achten.“
„Sie können sich gut entspannen.“ oder
„Sie können wichtiges von Unwichtigen unterscheiden“.
Ist der positiv umgedeutete Satz wertschätzend und der Situation angemessen von dem Coach rübergebracht, kann es sofort die Negativ-Spirale beim Coachee durchbrechen. Diese Methode nennt sich „PunchReframing“ und ist eine von vielen Reframing-Methoden.7
Diese Methode bietet sich besonders während eines Coachingsprozesses als schnelles Uminterpretieren von Aussagen und verhilft, Glaubenssätze neu zu überdenken.
Es gibt eine Vielzahl weiterer Methoden rund um das Reframing.
Im Folgenden werden die gängigsten Reframing-Methoden vorgestellt. Den Reframing-Methoden liegt eine Grundannahme zuvor. Es gibt eine Unterscheidung zwischen Absicht und Verhalten.
Dies wird im Folgenden erläutert.
Unterschied zwischen Absicht und Verhalten
Beim NLP (Neurolinguistische Programmierung) wird zwischen Absicht und Verhalten unterschieden, welche in Bezug zu dem jeweiligen Verhalten stehen.
Die Annahme ist hierbei, dass jedem Verhalten, sei es noch so unproduktiv, in dem jeweiligen Kontext eine positive Absicht innewohnt.
Eine Unterscheidung zwischen Absicht und Verhalten öffnet einen Spielraum für Veränderung. Wurde eine positive Absicht erkannt, kann bei einem ungewollten Verhalten nach einer besseren Alternative gesucht werden.8
Beispielsweise kann die Suche der Absicht nach dem sich wiederholenden abendlichen Süßigkeiten-Verzehr dabei helfen, Alternativen zu etablieren.
Wird hierbei herausgefunden, dass das Verhalten als Belohnung für einen vollen und ereignisreichen Tag angesehen wird (Absicht), kann überlegt werden, welche anderen Möglichkeiten es zur Belohnung geben kann.
Die Vorannahme für die Methoden des Reframings ist es also, dass hinter jedem Verhalten eine positive Absicht steckt.
Eine geeignete Methode, um die Absicht zu identifizieren und alternative Optionen aufzubauen, ist das 6-Step-Reframing (siehe Abschnitt 5).
Konkurrieren zwei Verhaltensweisen, kann durch das Identifizieren von deren Absicht eine neue Grundlage für eine kooperative Verhaltensweise gelegt werden (siehe Abschnitt 7).
Ist weder ein Verhalten noch eine Absicht klar umrissen, kann nach einem neuen Anteil gesucht werden (siehe Abschnitt 8).
Im Folgenden werden die gerade beschriebenen Methoden eingeführt.
Quellen bis hierher
1 J.K. Rowling: Harry Potter und der Orden des Phönix, Band 5, 2003
2 J.K. Rowling: Harry Potter und der Halbblutprinz, Band 6, 2005
3 https://www.duden.de/rechtschreibung/Reframing, 10.07.22
4 https://de.wikipedia.org/wiki/Umdeutung_(Psychologie), 10.07.22
5 https://www.nlp.at/nlp-lexikon?input=222, 10.07.22
6 Bandler & Grindler Reframing. Ein ökologischer Ansatz in der Psychotherapie, 2000
7 https://www.landsiedel-seminare.de/nlp-bibliothek/practitioner/p-05-00-reframing.html, 01.07.22
8 https://nlpheidelbergmannheim.wordpress.com/2015/03/03/den-unterschied-zwischen-verhalten-undabsichtverstehen/#:~: text=NLP%20unterscheidet%20zwischen%20dem%20Verhalten,eine%20positive%20selbstregulatorische%20Absicht%20inne, 10.07.22