Wie kann eine Beurteilung gelingen?
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Hinführung
In den vergangenen Jahren hat sich das Geschäft rund um die Wünsche und Hoffnungen von Menschen in Form von zahlreichen Coachingangeboten in Kombination mit einem unübersichtlichen Markt von Anbietern, Inhalten und Methoden manifestiert.1
Zu dieser unübersichtlichen Coaching-Branche kommt erschwerend hinzu, dass die Berufsbezeichnung Coach2 nicht geschützt ist und sich somit jeder als ebensolcher bezeichnen darf. Auch ohne entsprechendes Wissen und Können.
Neben monetären Schäden können sich für den Klienten darüber hinaus auch emotionale Schäden ergeben.3
Der mögliche Nutzen eines aktuell nicht vorhandenen Qualitätsstandards wird schnell ersichtlich, da er insbesondere auf der Kundenseite zum einen Orientierung und zum anderen auch Ansprüche an die fachliche Kompetenz sicherstellen würde.
Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich diese Abschlussarbeit mit der Fragestellung, anhand von welchen Merkmalen seriöse Coachingangebote identifiziert werden können, bzw. was ein qualitativ hochwertiges Coaching ausmacht.4
Definition Coaching
Coaching wird als Oberbegriff für nachfolgend genannte Beratungsmethoden in unterschiedlichen Kontexten verwendet:
Einzelcoaching, Teamcoaching oder Projektcoaching.5 Differenziert werden außerdem die Themenfelder Life- und Business-Coaching.
Im Kontext der systemischen Beratung wird zusätzlich ein systemtheoretisches Weltbild zugrunde gelegt:
Das Individuum ist niemals isoliert, sondern immer eingebettet in seine Umwelt (Heimatsystem) mit entsprechenden sozialen Verflechtungen zu betrachten.
Dieses System ist durchwirkt von mannigfaltigen Wechselbeziehungen zwischen zahlreichen individuellen Perspektiven und Bedürfnissen, folglich wirken sich Änderungen niemals isoliert, sondern im gesamten System aus.
Grundsätzlich strebt professionelles Coaching insbesondere die Entwicklung/ Entfaltung individueller Lösungskompetenz beim Klienten an und fördert vor diesem Hintergrund dessen Fähigkeiten zur Ressourcenaktivierung, Selbstreflexion und -wahrnehmung.
Das Ziel des Coachings wird dabei ausschließlich vom Klienten bestimmt.
Der Coach verantwortet den Prozess, in dem der Klient idealerweise neue Erkenntnisse gewinnt, eigene unterstützende Ressourcen entdeckt und Handlungsalternativen entwickelt um eigenständig seine Ziele zu erreichen und umzusetzen.
Coaching kann somit als zeitlich begrenzter, strukturierter Dialog zwischen Coach und Klient verstanden werden, welcher auf die individuellen Ziele und Bedürfnisse des Klienten zugeschnitten ist.6
Elemente eines seriösen Coachings
Interaktion & Zusammenarbeit
Basis für die Zusammenarbeit ist ein Erstgespräch, welches in der Regel kostenfrei ist.
Der Klient und der Coach lernen sich kennen, Erwartungshaltungen an und Möglichkeiten von Coaching werden abgeglichen. Zwei Seiten müssen das Gefühl haben, dass sie miteinander arbeiten können bevor der eigentliche Prozess startet:
Coaching kann als strukturierter Arbeitsprozess zwischen Coach und Klient verstanden werden, der von Kommunikation lebt und folglich eine gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit bedingt.
Eine Seite für sich alleine kann nicht wirksam sein, erst im Zusammenspiel kann sich die Wirksamkeit entfalten. Dabei ist grundlegende Voraussetzung, dass die Chemie zwischen beiden Seiten stimmt.
Die Interaktion im Coachingprozess ist nicht nur auf kognitive, sondern insbesondere auch auf die nicht kognitive Wahrnehmung, das Erleben ausgerichtet, welches alle körperlichen Sinne ganzheitlich umfasst.
Kognitive Fähigkeiten besitzen in unseren Wertemustern einen übermächtigen Stellenwert, aus unterschiedlichen Gründen nutzen wir bevorzugt darum unseren Verstand für die Lösung von Problemen. Häufig liegen Erkenntnisgewinne aber in den geistig nicht steuerbaren und blitzschnell reagierenden individuellen, unterbewussten Reaktionsmustern des Klienten.
Diese nicht bewusste, unwillentliche Ebene kann der Klient mit kognitiven Lösungsversuchen und vordergründigen Problemstellungen in der Regel nicht eigenständig identifizieren oder erreichen.
In Coachingprozessen wird dann z.B. ein Thema hinter dem Thema (hinter dem Thema) offen gelegt, so dass mit der Erkenntnis eine Ursache und nicht ein Symptom weiter bearbeitet werden kann, wobei häufig allein schon der Erkenntnisgewinn neuen Lösungsraum für den Klienten eröffnet und neue Handlungsfähigkeit hergestellt ist.
Schnell wird klar, dass eine derart intensive Kommunikation Vertrauen als Basis haben muss, damit Klienten sich darauf einlassen können und offen von ihren Sorgen und Nöten, aus ihrem System und ihrem
inneren Erleben7 erzählen.
Prozessorientierung & Individualität
Coaching arbeitet prozessorientiert an Lösungen, der Coach nimmt eine unterstützende Rolle im Prozess der Lösungsfindung ein, die manchmal als Hebamme oder Geburtshelfer beschrieben wird.
Die Individualität des Klienten spielt dabei eine wichtige Rolle:
Es geht darum geeignete Lösungsstrategien zu finden, die den individuellen Weg des Klienten in geeigneter Art und Weise unterstützen und die er in sein individuelles Umfeld (Heimatsystem) transferieren kann.
Aufgrund der Tatsache der Individualität lassen sich Lösungswege auch nicht verallgemeinern oder „über einen Kamm scheren“.
Für den Coach besteht hier insbesondere die Herausforderung nicht (unbewusst) seine eigenen Lösungsmuster und -ansätze auf den Klienten anzuwenden. Auch sollte es den Coach nicht berühren, wenn ein Klient die in der Sitzung besprochenen Aspekte (doch) nicht ausprobiert oder hilfreich findet.
Ein weiterer Aspekt ist, dass Intuition des Coaches die Methode sticht: Nicht auf eine perfekt durchgeführte Methode kommt es an, sondern dass der Klient in Folge von Erkenntnisgewinn in seinem Problemlösungsprozess und dem Transfer in sein Heimatsystem bestmöglich unterstützt wird.
Neutralität & Haltung
Das Ziel des Coachings wird ausschließlich vom Klienten bestimmt.
Er ist der Experte für sein individuelles System und muss den Willen haben an sich zu arbeiten, eigene Lösungen entwickeln, die ihm helfen ins Handeln zu kommen um Veränderungen herbeizuführen.
Mit der Zielformulierung geht dabei die Möglichkeit einer (individuellen) Erfolgsmessung für den Klienten einher: Zu Beginn des Prozesses werden gemeinsam die Kriterien für die Zielerreichung definiert. Seriöse Coachingangebote werden dabei keine Wunder versprechen und eine realistische Einschätzung geben, was durch Coaching erreicht werden kann.
In der abschließenden Evaluation kann dann eine Bewertung stattfinden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Klient im Laufe des Prozesses in Folge von Erkenntnisgewinnen seine Zielsetzung verändert.
Die Neutralität des Coaches ist maßgeblich für die Entwicklungsmöglichkeit des Klienten: Nur so kann er sich hinterfragen und Ideen entwickeln.
Der Coach kann durch eine neutrale Haltung eine offene, neugierige Haltung gegenüber allen Themenfeldern einnehmen, welches ihm auch Allparteilichkeit ermöglicht. Dies ist insbesondere wichtig, weil der Klient sich in seiner subjektiven Wirklichkeit befindet, die er aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen und Annahmen konstruiert.
Hilfreich ist hier die systemische Sichtweise, weil sie impliziert, dass niemand alleine „Schuld“ an einer Situation sein kann, da die vielfältigen sozialen Verflechtungen in einem System keine kausal-logischen Rückschlüsse ermöglichen und folglich ein „Schuldiger“ nicht zu identifizieren ist.8
Zirkuläre Fragen eröffnen dem Klienten vor diesem Hintergrund andere Sichtweisen und bieten so die Möglichkeit dissoziiert auf die eigene Wirklichkeit zu blicken und aufbauend auf dem Erkenntnisgewinn die eigene Sichtweise zu relativieren (neutralisieren).
Quellen bis hierher
1 Vera Kraft: Falsche Versprechen. Warum manche Coachings bedenklich sind. Wie kann man seriöses von unseriösem Coaching unterscheiden? (Neue Osnabrücker Zeitung, 14./15.8.21, jobwelt)
2 Die Bezeichnungen Coach, Klient, Kunde oder ähnliche in dieser Arbeit beziehen sich gleichermaßen auf Frauen und Männer. Um einer besseren Lesbarkeit willen wird nur die männliche Form verwendet.
3 Dr. Christoph Rauen: Den falschen Coach erkennen. (Online im Internet: https://www.coachdatenbank.de/ratgeber/der-passende-coach/den-falschen-coach-erkennen.html)
4 An dieser Stelle ganz lieben Dank an die Coaches, die im Rahmen dieser Ausbildung mit sehr viel Herzblut und Weitsicht ihre individuellen Erfahrungen teilen und den Teilnehmern einen respektvollen Umgang in Verbindung mit einer entsprechenden Haltung als Coach vermitteln.
5 Wikipedia: Coaching. (Online im Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/Coaching)
6 Deutscher Verband für Coaching und Training (dvct) e.V.: Definition Coaching. (online im Internet: https://www.dvct.de/coaching-training/coaching/definition-coaching)
7 Das Kommunikationsmodell VAKOG beschreibt die fünf unterschiedlichen Sinneskanäle unserer Kommunikation, mit denen wir in unterschiedlich starker Ausprägung unsere Umwelt wahrnehmen. Die fünf Buchstaben ‚VAKOG‘ stehen für: V=Visuell (sehen), A=Auditiv (hören), K=Kinästhetisch (fühlen/spüren), O=Olfaktorisch (riechen), G=Gustatorisch (schmecken).
8 Sabine Prohaska: Die sieben Grundprinzipien des Coachens. (Online im Internet: https://www.businesswissen.de/artikel/coaching-die-sieben-grundprinzipien-descoachens/#:~:text=Coaching%20Die%20sieben%20Grundprinzipien%20des%20Coachens%201%20Niemand,7%20Die%20Wirklichkeit%20ist%20eine%20subjektive%20Konstruktion.%20)