Der Einfluss der inneren Haltung von Führungskräften
Abschlussarbeit von Detlef Rübesame, als PDF lesen
Mitarbeiter verlassen nicht ihre Firma, sondern ihren Chef
(Anja Häßler, Business Coach)
Seit Jahren wird in der Fachpresse über eine abnehmende emotionale Bindung von Mitarbeitenden an ihr Unternehmen berichtet. Besorgniserregend ist neben der größer werdenden Zahl von Kündigungen der sehr hohe Anteil von Mitarbeitenden, die innerlich gekündigt haben. Als Gründe werden zum einen sich stark verändernde Werte der Mitarbeitenden genannt, zum anderen wird eine mangelnde Wertschätzung im Unternehmen erfahren. Hier liegt die Verantwortung im Verhalten der Führungskräfte.
Beobachtungen und Analyse der aktuellen Marktsituation
Begriffe wie „the big quit“ und „the great resignation“ werden seit einiger Zeit nicht mehr nur in der Wirtschaftspresse diskutiert z.B. 1. Diese Begriffe beschreiben die seit Jahren signifikant steigenden Kündigungszahlen durch die Arbeitnehmenden selbst.
Vor allem zwei Gründe werden für die zunehmende Wechselbereitschaft genannt:
• erstens ein sich zunehmend veränderndes Bewusstsein für die Bedeutung und den Stellenwert von Arbeit 2. Dies bezieht sich nicht nur auf die „Generation Y“ und die „Generation Z“ mit ihren anderen Wertesystemen, sondern auch auf die „Generation X“ und die „Baby Boomer“-Generation, deren Einstellungen und Erwartungen in Bezug auf Eigenverantwortung und Selbstorganisation sich gerade stark verändern.
• Der zweite Grund liegt in der Art der Interaktion von Unternehmen zu ihren MA. Verschiedene Marktforschungsinstitute 3,4 bescheinigen eine kontinuierlich sinkende Mitarbeitendenbindung: lediglich 17% der MA haben eine hohe emotionale Bindung an ihr Unternehmen, 69% fühlen eine geringe Bindung und 14% haben innerlich gekündigt. Die kurz- und mittelfristige Wechselbereitschaft hat sich von 2018 bis 2021 um 20% erhöht. Dabei ist bemerkenswert, dass sich der Trend während der Corona-Pandemie trotz erhöhtem Sicherheitsbedürfnis fortgesetzt hat.
Z.Zt. sind in Deutschland mehr angestellte MA aktiv auf Stellensuche als in den USA, wo Jobhopping gesellschaftlich breit anerkannt ist.
Nicht zuletzt die folgende Zahl sollte Unternehmen motivieren, den Trend möglichst schnell umzukehren: das fehlende Engagement der eigenen MA kostet in Deutschland bis zu 114 Milliarden Euro pro Jahr! 4
Als häufigste Ursachen der sinkenden Mitarbeitendenbindung werden die Folgenden genannt2,5,6,7:
1. unbefriedigende Rahmenbedingungen:
• dauerhafte Überlastsituation (zuviele Überstunden, zuwenige MA),
• keine oder zu eingeschränkte Homeoffice-Regelungen,
• unflexible Arbeitszeitmodelle,
• mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
• demotivierendes Arbeitsumfeld (unmotivierte oder ungeeignete Kollegen, falsche oder ungerechte Aufgabenverteilung im Team)
2. mangelnde Wertschätzung:
• fehlende persönliche Anerkennung der eigenen Arbeit,
• mangelndes Feedback (Qualität und/oder Quantität),
• nicht eingehaltene Zusagen/Versprechen,
• fehlende Transparenz in der Kommunikation,
• fehlende Klarheit bzgl. Wert und Nutzen der eigenen Tätigkeit in ihrer Bedeutung für das Gesamtbild des Unternehmens,
• fehlende Entfaltungsmöglichkeiten (Kreativität und Eigeninitiative werden gebremst; fehlende intellektuelle Forderung bis hin zu Boreout)
MA kommen zu Unternehmen, weil sie sich durch die Aufgaben, die Ziele und die Kultur des Unternehmens angezogen fühlen.
Dieser positive Eindruck wird durch den Internetauftritt, das Bewerbungsgespräch und die Wandplakate mit den Unternehmenswerten vermittelt.
Im folgenden Berufsalltag erkennt der MA, ob zentrale Elemente der vermittelten Kultur auch gelebt werden:
• Menschenbild
z.B. MA als Kapital/Kostenposition oder Menschen? (Abt. HR: Human Resources !!!)
• Fehlerkultur
z.B. Schuldsuche und Vermeidung von Fehlern gegenüber Akzeptanz von Fehlern als Basis für Verbesserungen?
• Motivation
z.B. starre Zielvereinbarungen statt individueller (Mit-)Gestaltungsmöglichkeiten? z.B. Einzelzielbonus statt gerechter Bezahlung?
Die Verantwortung für praktisch alle Kündigungsgründe lässt sich klar adressieren: an die FK aller Führungsebenen!
Sie sind unmittelbar verantwortlich, wenn es um den direkten Umgang mit den MA geht und sie sind mittelbar verantwortlich, da sie durch ihre Entscheidungen und ihr Verhalten die Kultur des Unternehmens prägen und vermitteln.
Personalabteilungen allein können das Phänomen der MA-Fluktuation nicht lösen. Kostenloser Kaffee und Obstkörbchen binden niemanden mehr ans Unternehmen. Ausgefeilt entwickelte Retention Managementsysteme haben zumindest auch die Fortbildung ihrer FK im Blick, da einige Personalabteilungen deren Verantwortung erkennen.
Quellen bis hierher
z.B. 1 Wirtschaftskurier, 24.06.2022, Autor: Reinhard Schlieker
2 Website Harbinger AG, Consulting, Ergebnisliste verschiedener Forschungsinstitute
3 Studie von PwC (Price Waterhouse Coopers GmbH), 2022
4 Interview mit Pa Sinyan, Managing Partner Gallup Inc., veröffentlicht auf Xing; seine Aussagen basieren auf dem „Gallup Engagement Index 2021“
5 Business Insider Online, 31.1.2020, Autorin Nathalie Gaulhiay
6 Businesswissen.de, Fachartikel 2022, Autor Markus Gaugler
7 arbeits ABC, Fachartikel 4.7.2022, Redaktion Fred Eichwald