Abschlussarbeit von Larissa Ohliger, als PDF lesen
“We can build anything in our imagination. That’s where all the creation begins in your life.“
– Bob Proctor –
Viele Menschen denken an mysteriöse Methoden aus dem Bereich der Spiritualität, wenn sie etwas von der „Kraft der Visualisierung“ hören.
Tatsächlich ist das Thema Visualisierung zu einem regelrechten Trend geworden und das nicht nur in der spirituellen Szene. Spitzensportler wissen schon lange von der Kraft des Visualisierens und nutzen sie, um Bestleistungen zu erzielen.
Auch im Bereich der Neurowissenschaften ist die Visualisierung angekommen und wird dort erforscht. Psychologen und Coaches haben die Methode aufgenommen und nutzen sie für ihre Arbeit mit Klienten.
Was bedeutet Visualisieren eigentlich? Was ist daran so kraftvoll? Gibt es wissenschaftliche Erklärungen? Und was hat das Ganze mit dem systemischen Coaching zu tun?
Was versteht man unter Visualisieren?
„Unter Visualisieren wird im Kontext der Psychologie das bildliche Sich-Vorstellen von Bewegungen, Gegebenheiten oder Situationen verstanden.“ (zhaw)
Beim Prozess des Visualisierens stellt man sich seinen Wunschzustand – das Ziel – vor und das am besten so detailliert wie möglich. Man taucht quasi in den Zustand ein und erlebt und fühlt ihn als wäre er gegenwärtig. Hier geht es also vielmehr um eine ganzheitliche Wahrnehmung mit allen Sinnen, als nur um eine rein bildliche Vorstellung.
– Wie sieht das Ziel aus?
– Was hörst du?
– Was riechst du?
– Was schmeckst du?
– Wie fühlt es sich an?
Stellen wir uns mal vor, der Wunsch wäre es, einen Garten zu haben. Die Person könnte sich vorstellen durch den Garten zu laufen und ihn mit allen Sinnen wahrzunehmen. Vögel zu hören, über das weiche Gras zu laufen, einen Apfel zu pflücken und zu essen, an einer Blume zu riechen, glücklich und zufrieden zu sein.
Weitere Beispiele für Visualisierung:
„Ich gewinne den Marathon.“
Die Person stellt sich vor wie sie fit und motiviert den Marathon läuft und stolz als erstes am Ziel ankommt, den Preis entgegennimmt und die Leute jubeln und gratulieren.
„Ich wurde zur Teamleiterin befördert.“
Die Person fühlt sich stolz und wertgeschätzt. Erzählt ihrer Familie davon, die sich sehr für sie freut. Sie sieht sich an ihrem neuen Schreibtisch, wie sie die neuen Aufgaben motiviert und glücklich angeht. Sie fühlt sich dankbar für das höhere Gehalt, mit dem sie einen tollen neuen Urlaub plant.
Was sagt die Wissenschaft?
Was sagt die Wissenschaft zum Thema Visualisierung? Kann man die Wirkung tatsächlich wissenschaftlich erklären und nachweisen?
Die Antwort lautet JA.
Es gibt wissenschaftliche Forschungen, die beweisen, dass Visualisierung funktioniert. Eine veröffentlichte Studie im Bereich der Neurowissenschaften ergab, dass die Vorstellung, bestimmte Körperteile zu bewegen, die Muskeln fast genauso trainiert wie die tatsächliche Bewegung. Visualisierung ist also erwiesenermaßen kraftvoll!
Unser Gehirn kann zwischen einer realen Erfahrung und einer Vorstellung nicht unterscheiden.
Forschungen haben gezeigt, dass es umso besser klappt je intensiver und detaillierter die Vorstellung ist. Am besten stellt man sich den Wunschzustand nicht nur bildlich, sondern mit möglichst allen Sinnen vor (visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch und gustatorisch). Das heißt, wenn wir uns eine Situation detailliert vorstellen und uns so sehr hineinversetzen und fühlen als wäre sie bereits real, speichert unser Gehirn es so ab als hätten wir es tatsächlich erlebt.
“The body doesn’t know the difference between an experience and a thought. You can literally change your biology, neuro-circuitry, chemicals, hormones and genes, simply by having an inner experience.”
Dr Joe Dispenza
Positiv konnotierte Visualisierungen lösen positive Gefühlszustände aus und sorgen dafür das Glückshormone ausgeschüttet und entsprechende neuronale Netzwerke aktiviert werden. Es entstehen neue neuronale Verbindungen im Hirn, die uns in eine handlungswirksame Stimmung versetzen und somit neue Verhaltensweisen möglich machen.
In unserem Unterbewusstsein werden positive Gefühle abgelegt, die wiederum zu neuen Gedanken führen. Unsere Denkweise – unser „Mindset“ – verändert sich. Neue Gedanken ermöglichen ein neues Verhalten, welches uns zukünftig unserem Ziel näherbringt. Motivationale Prozesse werden ausgelöst, die auf dem Weg unterstützen und antreiben.
Sportler nutzen die Kraft der Visualisierung zur Motivationssteigerung, um taktische Pläne vorzubereiten oder bestimmte Techniken zu erlernen.
Die Wissenschaft bestätigt also, dass wir allein durch die intensive Vorstellung eines Wunschzustandes unserem Ziel näherkommen.
Wie können wir die kraftvolle Methode privat einsetzen?
Jeder Mensch kann sich theoretisch jederzeit Gedanken über seine Ziele machen. Wie wir aber bereits erfahren haben, klappt es umso besser, je detaillierter die Vorstellung ist und je intensiver die damit verbundenen Gefühle sind. Es gibt verschiedene Techniken, die wir bewusst einsetzen können, um die Kraft der Visualisierung für uns zu nutzen.
Hier drei Beispiele für den Alltag:
Meditation
Setze dich in Ruhe hin und schließe die Augen. Stelle dir mit allen Sinnen vor wie es ist, dein Ziel erreicht zu haben. Tauche vollkommen in diesen Film ein. Entspannende Musik kann dich dabei unterstützen, noch tiefer in den Zustand zu kommen. Zudem gibt es geführte Meditationen zum Thema Visualisierung.
Journaling
Nutze ein Notizbuch und schreibe deine Visionen auf. Schreibe im Präsens und fühle dich so in die Situation ein, als wäre sie schon gegenwärtig.
Beispiel:
„Ich habe die Prüfung bestanden. Ich bin dankbar. Ich fühle mich erleichtert. Ich bin glücklich und stolz, dass ich es geschafft habe.“
Das Aufschreiben von positiven Affirmationen ist auch sehr kraftvoll und hilft dir in deinen Wunschzustand zu kommen.
Beispiel:
„Ich bin intelligent. Ich kann alles schaffen, was ich mir vornehme. Ich bin motiviert.“
Vision Board
Gestalte ein Board mit Bildern, die deine Ziele und Träume repräsentieren. Hänge es an einen Ort, den du am besten täglich mehrfach siehst, um immer wieder an das Gefühl erinnert zu werden, wie es ist, dein Ziel erreicht zu haben.
Je regelmäßiger wir visualisieren, desto besser. Morgens zu visualisieren hilft, in das richtige „Mindset“ zu kommen. Es motiviert, die nötigen Schritte zu unternehmen, um deinem Ziel näher zu kommen. Abends vor dem Schlafen ist es besonders gut, damit die Visualisierung besser in das Unterbewusstsein eindringen kann. Durch Ausprobieren findest du heraus, welche Technik am besten zu dir passt und was du in deinen Alltag integrieren kannst.
Visualisierung im systemischen Coaching
Wie können wir diese Erkenntnisse für das systemische Coaching nutzen?
In welchen Ansätzen und Methoden wird Visualisierung eingesetzt?
Visualisierung ist auch im Coaching-Prozess sehr kraftvoll. Wie wir gelernt haben, löst das intensive Vorstellen des Wunschzustandes nachweislich Prozesse in uns aus, die uns in eine handlungswirksame Stimmung versetzen und neue Verhaltensweisen möglich machen. Wenn man genauer hinschaut, findet man die Ansätze der Visualisierung an vielen Stellen, da der Prozess ziel- und lösungsorientiert ist. Der Coach kann den Visualisierungsprozess anregen und den Coachee unterstützen, seinen eigenen „Lösungsfilm zu drehen“.
Hierzu gibt es viele verschiedene Techniken und Methoden. Auf einige möchte ich im nachfolgenden Teil näher eingehen.