Abschlussarbeit von Nicole Erfurth, als PDF lesen
Wir brauchen uns nicht weiter vor Auseinandersetzungen, Konflikten und Problemen mit uns selbst zu fürchten, denn sogar Sterne knallen manchmal aufeinander und es entstehen neue Welten. Heute weiß ich, das ist das Leben!
Charlie Chaplin
Einleitung
Was ist eigentlich ein Konflikt und warum ist es so schwer, richtig zu kommunizieren?
Kommunikation und Konflikte gehören zu unserem Leben. In jedem System, in dem wir uns bewegen, kommunizieren wir unaufhörlich, was wiederum zu Konflikten
führen kann.
Seinen Ursprung hat der Begriff „Kommunikation“ im Lateinischen. Das lateinische Substantiv „communicatio“ bedeutet Mitteilung oder Gewährung.
Das Wort „Konflikt“ stammt ebenfalls aus dem Lateinischen. Das lateinische Substantiv „conflicto“ bedeutet „heftig zusammenschlagen, zusammenstoßen oder zerrütten“.
Laut Duden ist er eine „durch das Aufeinanderprallen widerstreitender Auffassungen, Interessen o.Ä. entstandene schwierige Situation, die zum Zerwürfnis führen kann.“
Dr. Wolfgang Grundwald (Professor für Arbeits- und Betriebspsychologie an der Universität Lüneburg und Berater für Organisationsentwicklung in Wirtschaft und Verwaltung) hat die Merkmale eines Konflikts wie folgt beschrieben:
– Gegensätzlich unvereinbare Eigenheiten und ihnen gemäße Interessen, die den Beteiligten bewusst sind
– Alle am Konflikt Beteiligten haben aus ihrer subjektiven Sichtweise Recht
– Alle Beteiligten hängen voneinander ab und sind auf dieselben Ressourcen angewiesen
Bei den meisten Konflikten geht es um die persönliche Wahrnehmung einer Situation und den Umgang mit dieser.
In Wirklichkeit geht es also um nichts anderes als um eine eigene Konstruktion (Sichtweise). Die französische Schriftstellerin Anais Nin stellte dazu bereits fest:
Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind. Wir sehen sie so, wie wir sind.
Interaktion und Kommunikation bergen also immer das Risiko für Konflikte und Missverständnisse.
Daher verbinde ich in meiner Abschlussarbeit die Themen Kommunikation und Konflikte, um aufzuzeigen, warum aus Kommunikation Konflikte entstehen können, wie Konflikte funktionieren, und auch, wie man durch Reflektion seines eigenen Konfliktverhaltens zuerst sich, und dann die Konflikte erfolgreich managen kann.
Des Weiteren möchte ich abschließend an einem kurzen Beispiel aus meinem beruflichen Kontext aufzeigen, wie in einem Konflikt – trotz komplementärer Kommunikationsstruktur – wertschätzend und konstruktiv miteinander umgegangen werden kann, um eine Kooperation aller Beteiligten anzustreben.
So negativ, wie der Begriff „Konflikte“ auch besetzt ist – in Konflikten steckt eine Menge positiver Energie. Ungelöste, oder gar eskalierte Konflikte sind vergeudete Energie.
Die fünf Axiome von Paul Watzlawick (inklusive Exkurs zu dem Eisbergmodell nach Ruch/Zimbardo)
Nichts ist einfacher, als in der Kommunikation zu scheitern, und in Konflikte zu geraten.
Der Kommunikationswissenschaftler, Psychotherapeut und Philosoph Paul Watzlawick hat dazu fünf Grundsätze aufgestellt, die als die „Fünf Axiome“ als Grundregeln der Kommunikationstheorie anerkannt sind.
Definition Axiome: absolut richtig erkannter Grundsatz; gültige Wahrheit, die keines Beweises bedarf.
1. Man kann nicht nicht kommunizieren
Wir sind auch ohne Worte jederzeit im Austausch mit unseren Mitmenschen – ob wir das wollen, oder nicht.
Wir senden permanent nonverbale Botschaften mit unserem Körper, unserer Mimik und unserer Gestik. Solche Signale können zum Beispiel ein zustimmendes Kopfnicken, eine zugewandte Körperhaltung, oder auch das Vermeiden von Blickkontakt sein.
2. Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt
In jeder Kommunikation gibt es einen Inhaltsaspekt, der Informationen in Form von Daten und Fakten enthält, und einen Beziehungsaspekt, der die zwischenmenschliche Beziehung zwischen dem Sender und dem Empfänger kennzeichnet.
Was wir sagen wird also nicht nur durch Worte übermittelt.
Der Beziehungsaspekt überwiegt über den Inhaltsaspekt, denn sowohl Körpersprache, Mimik, Gestik und/oder Tonfall können einer vermeintlich positiven Aussage eine völlig andere Bedeutung geben.
Exkurs
Das „Eisbergmodell“, ein Kommunikationsmodell, in dem die Psychologen Floyd
Ruch und Philip Zimbardo 1974 im Zusammenhang mit Kommunikation die Metapher vom Eisberg verwenden, kann hier hilfreich sein.
Ein Eisberg ist oberhalb der Wasserfläche nur zu einem kleinen Teil sichtbar (ca. 20%).
Der andere Teil (ca. 80%) befindet sich unsichtbar unter der Wasseroberfläche.
Übertragen auf die Kommunikation bedeutet dieses, dass 20% der Kommunikation sichtbar und 80% unsichtbar sind. Bei der sichtbaren Ebene handelt es sich um die Sachebene (Zahlen, Daten und Fakten).
Bei der unsichtbaren Ebene handelt es sich um die Beziehungsebene (Emotionen, Wertevorstellungen, Interpretationen…), die den Inhalt der Botschaft in der Kommunikation ergänzen und beeinflussen.
Oft entstehen Konflikte, weil Menschen auf der Sachebene etwas anderes sagen als das, was sie eigentlich auf der Beziehungsebene meinen.
Ein Praxisbeispiel hierzu ist der oft gesagte Satz in Beziehungen
„Der Müll müsste herausgebracht werden.“
Die Sachebene enthält die einfache Information, dass der Mülleimer voll ist und geleert werden sollte.
Die Beziehungsebene kann hier eine andere Information enthalten, nämlich die, dass man sich mehr Unterstützung in Haushalt wünscht.
Letzteres kann zu Störungen unterhalb der Wasseroberfläche führen, also auf der Beziehungsebene.
Diese wirken sich dann auf den sichtbaren Teil des Eisbergs, die Sachebene aus.
Nur, wenn Sach- und Beziehungsebene im Einklang stehen, kann Kommunikation – dem Eisbergmodell zufolge – störungsfrei gelingen.
Das Eisbergmodell kann dabei helfen, versteckte Botschaften zu entschlüsseln – und Konflikte zu erkennen und zu entschärfen.
3. Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung
Kommunikation beruht auf einem stetigen Wechsel zwischen Aktion und Reaktion.
Die Qualität einer Kommunikation, und damit auch einer Beziehung, hängt im Wesentlichen davon ab, welche Wirkung der Impuls des Senders auf den Empfänger hat, im Positiven, wie im Negativen. Dieser Prozess verläuft in der Regel kreisförmig.
Daraus kann im negativen Fall eine Kommunikationsstörung, der „Teufelskreis der Kommunikation“ resultieren.
Im Falle einer Eskalation wird eine Kommunikation zu einem Hin und Her von gegenseitigen Vorwürfen.
Um diesen Teufelskreis zu unterbrechen, sollte überlegt werden, was an der gegenwärtigen Situation geändert werden kann, und nicht, ob der Sender, oder der Empfänger „Recht hat“, denn beide würden Ihr Handeln durch das Verhalten des jeweils anderen rechtfertigen.
Jeder empfindet hier subjektiv seine Version (sein „Erleben“) als wahr. (Henne-Ei-Prinzip).
4. Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten
Die digitale Kommunikation (verbal) repräsentiert die reine Inhaltsebene (und nicht im heutigen Sprachverständnis die digitalen Medien), das gesprochene Wort.
Die digitale Kommunikation ist wichtig für die Übermittlung von Wissen.
Die analoge Kommunikation (non-verbal) ist die Kommunikation auf der Beziehungsebene, also Körpersprache, Mimik und Gestik.
Zum besseren Verständnis hierzu ein Beispiel:
Eine Mutter sieht ihr weinendes Kind aus der Schule kommen. Das non-verbale Ausdrucksmittel ist hier das Weinen.
Bis hierhin handelt es sich um eine analoge Kommunikation. Fragt die Mutter nach dem Grund des Weinens und erhält eine verbale Antwort, findet eine digitale Kommunikation statt.
5. Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär
Kommunikation kann symmetrisch verlaufen, wenn sich die Kommunikationspartner auf Augenhöhe befinden (Gleichheit der Partner).
Dieses ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Vertragsverhandlung unter Geschäftspartnern stattfindet. Kommunikation kann auch komplementär stattfinden, wenn sich die Kommunikationspartner nicht auf Augenhöhe befinden.
Dieses ist zum Beispiel der Fall, wenn Unterschiede im Bildungsgrad oder der hierarchischen Position im Berufsleben bestehen.
Die zwischenmenschliche Kommunikation ist entscheidend durch die Beziehung der Parteien zueinander beeinflusst. Das bedeutet keinesfalls, dass einer der Kommunikationspartner dem anderen gegenüber untergeordnet ist.
Im besten Fall ergänzen sich die Kommunikationspartner und arbeiten zusammen.