Wie sie funktionieren und wie sie verändert werden können
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Tagtäglich führen wir hunderte Handlungen aus. Fast die Hälfte davon sind sich immer wieder wiederholende Abläufe – sogenannte Gewohnheiten. Diese können von simplen Tätigkeiten wie Zähneputzen bis zu komplexen wie Kommunikationsmustern, reichen. Gewohnheiten finden wir in allen Bereichen des Lebens: beim Kommunizieren, beim Essen, beim Fortbewegen, beim Feiern, beim Streiten usw. Ausschlaggebend ist, dass es eintrainierte Handlungsabläufe sind, die dem Gehirn wenig Energie abverlangen. Da dieses nämlich nur begrenzt Energie zur Verfügung hat, muss es damit gut haushalten und versucht möglichst viele Aktionen im Energiesparmodus durchzuführen. Gewohnheiten können mit einem Zustand im Autopiloten verglichen werden. Ohne nochmal aktiv über ein Vorgehen nachzudenken, wird dieses einfach automatisch ausgeführt. Das ist gut, weil so Energie für Momente gespart wird, in denen etwas Neues passiert und wir abwägen müssen, wie wir reagieren. Gewohnheiten vereinfachen also unseren Alltag und ermöglichen uns Energie für komplexe Gedankengänge übrig zu haben. Gleichzeitig können Gewohnheiten jedoch auch zu Problemen in Form von routinierten Verhaltensmustern führen, die uns oder anderen schaden. Aus einem gewohnten Muster auszubrechen ist schwierig, aber möglich.
Der Mensch hat als einziges Lebewesen auf diesem Planeten die Fähigkeit, sich neben sich selbst zu stellen, sich und sein Leben zu betrachten und damit auch zu beurteilen und darüber zu entscheiden, welches Leben er führen will.
(Martens 2012: 18).
In den letzten Jahren wurde zu Verhaltensmustern und Routinen viel geforscht und herausgefunden wie Gewohnheitsprozesse funktionieren. Dieses Wissen hilft sogenannte Gewohnheitsschleifen zu erkennen, zu verstehen und letztendlich zu verändern.
Im Folgenden werden zunächst der Nutzen sowie die Funktionsweise von Gewohnheiten erläutert. Um anschließend zu erklären, wie wir in diesen Prozess eingreifen und bewusst unsere Routinen verändern können.
Warum sind Gewohnheiten so wichtig?
Wir lernen von klein auf, welche Verhaltensweisen und Reaktionen in bestimmten Situationon erfolgreich sind. Diese wenden wir dann in Form von Gewohnheiten immer wieder an. Das spart nicht nur Energie, sondern gibt uns auch Halt und Struktur (Schulz-Wimmer 2010: 16). Genauso wird dadurch eine Sicherheit für die Menschen in unserem Umfeld geschaffen, denn unser gewohntes Verhalten ermöglicht es anderen uns einschätzen zu können und sich auf uns verlassen und einstellen zu können. Das ist ein wichtiger Faktor für zwischenmenschliche Beziehungen und lässt sich auch auf ganze Gesellschaften und Kulturen übertragen. Traditionen und Gesetze sind nichts anderes als kollektive Gewohnheiten. Sie sind nötig, um ein Miteinander zu ermöglichen, damit nicht in jeder Situation neu ausgehandelt werden muss wie wir miteinander umgehen. Gemeinsame Regeln, wie zum Beispiel die Verkehrsordnung, ermöglichen, dass wir uns von A nach B bewegen und darauf vertrauen können, dass sich alle an diese Regeln halten. Gäbe es diese gemeinsamen Gewohnheiten nicht, bliebe wenig Raum und Energie für Weiterentwicklung und komplexere Themen. Das heißt, dass wir im Alltag Routinen und Gewohnheiten brauchen, um Kapazität für Weiterentwicklung, Vertiefung und Kreativität zu haben. Durch die richtigen Gewohnheiten können wir ohne Stress Ziele erreichen und Herausforderungen meistern und dabei gesund und stabil bleiben (Schulz Wimmer 2010: 17f).
Wie funktionieren Gewohnheiten?
Das Gehirn verbraucht etwa 20% unserer Energie. Jede Entscheidung, jede Problemlösung, jedes „sich motivieren müssen“ verbraucht Energie. Wir sind darauf angewiesen einige Abläufe ohne viel Nachdenken, also Energieverbrauch, durchzuführen. Dabei sind Gewohnheiten und Routinen hilfreich, denn sie verbrauchen weniger davon (Schulz-Wimmer 2010: 15). Der Prozess, der eine Folge von Handlungen in eine Routine verwandelt, wird „Chunking“ (Portionierung) genannt und ist die Grundlage für die Entstehung einer Gewohnheit. Gespeichert werden Gewohnheitsmuster in den Basalganglien des Gehirns. Wird auf eine Gewohnheit zurückgegriffen, arbeiten nur die Basalganglien, um diese auszuführen. Da das Gehirn immer bestrebt ist möglichst wenig Energie zu verbrauchen, also möglichst viel im Autopiloten auszuführen, werden mehrmals ausgeführte Handlungen (Routinen) in Gewohnheiten (Chunks) verwandelt, die wiederum gering im Energieverbrauch sind (Duhigg 2019: 36ff).
Duhigg erklärt die Funktionsweise von Verhaltensmustern anhand von Gewohnheitsschleifen, die aus drei Teilen bestehen: dem Auslösereiz, der Routine und der Belohnung
Durch einen Auslösereiz wird das Gehirn angeregt in einen automatisierten Modus umzuschalten. Der Reiz entscheidet welche Gewohnheit folgt. Hierbei ist die Gehirnaktivität noch etwas höher. Dann spult sich die Routine ab, die auf mentaler, emotionaler oder auf körperlicher Ebene ablaufen kann. Dabei sinkt die Gehirnaktivität stark ab. Es folgt die Belohnung, die darüber entscheidet, ob das Muster beibehalten wird. Hier steigt die Gehirnaktivität wieder an (Duhigg 2019: 40).
Auslösereiz kann vieles sein, zum Beispiel: eine Kekspackung, ein Geruch, eine bestimmte Person, eine Tageszeit, ein Gefühl usw. Auch Belohnungen sind vielfältig, zum Beispiel: etwas zu Essen, ein positives Gefühl, Entspannung, Ablenkung usw. (Duhigg 2019: 48).
Ein Beispiel für eine Gewohnheitsschleife ist das Naschen am Arbeitsplatz. Auslösereiz kann eine bestimmte Tageszeit, das Gefühl von Langeweile oder der Blick auf die Kekspackung sein. Das Verlangen nach der zu erwartenden Belohnung macht sich breit und routiniert, ohne die Handlung nochmal aktiv zu hinterfragen, werden die Kekse gegessen. Es folgt die Belohnung in Form von Ablenkung, körperlicher Stimulation oder einfach einer Pause vom Arbeiten.
Diese Folge aus Reiz, Routine und Belohnung verfestigt sich mit der Zeit mehr und mehr und wird automatisiert. Dabei spielt der Gedanke an die Belohnung, der bei Gewohnheiten schon vor der eigentlichen Belohnung entsteht, eine wichtige Rolle. Es entwickelt sich mit der Zeit – oftmals unbewusst und schleichend – ein neuronal verankertes Verlangen nach dieser Belohnung. Auslösereize werden also mit einer Belohnung assoziiert, wodurch ein unterbewusstes Verlangen entsteht, welches wiederum die Routine-Handlung hervorruft (Duhigg 2019: 74).