Wie die besten Führungskräfte Mitarbeiter*innen
entwickeln
Abschlussarbeit von Massimilliano Coraci, als PDF lesen
Einführung – Die Führungskraft als Coach
Wie kann eine Führungskraft mit Hilfe eines systemischen Coaching-Ansatzes Mitarbeiter*innen (Klienten) entwickeln?
Erschreckenderweise zeigen Management-Studien seit Jahren bemerkenswert, dass neun von zehn Führungskräften nicht der Coach sind, der sie sein sollten – aber besonders auch, dass sie keinen fortlaufenden persönlichen Dialog mit ihren Mitarbeiter*innen führen.
Eine bedenkliche Tendenz, zu der ich aus Erfahrung eines mit Gewissheit sagen kann:
Starkes und engagiertes Leadership sind für den Erfolg in Organisationen aller Größen und Formen und in jeder Branche kritischer und entscheidender als je zuvor.
Denn die Pandemie hat dem Arbeitsleben einen unerwarteten Digitalisierungsschub verpasst. Die Dynamisierung der Märkte, wachsende Komplexität, Digitalisierung, neue Medien und sich wandelnde Rahmenbedingungen und vieles mehr stellen Unternehmungen ständig vor neue Herausforderungen.
Das Tempo des Wandels beschleunigt sich für alle. Wir befinden uns in einer VUCA Welt, die sehr komplex geworden und ständig im Fluss ist.
VUCA ist ein Akronym, das volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig bedeutet.
Der Begriff hat sich in den letzten Jahrzehnten als ein nützlicher, sinnstiftender Rahmen erwiesen. Wenn wir noch ein Schritt weiter gehen, spricht man seit 2020 über die BANI-Welt. Es beschreibt die noch komplexere Gegenwart.
Das Akronym versteht die Welt als brüchig, ängstlich, nicht-linear und sogar unbegreiflich. Arbeit, die früher Wochen dauerte, ist jetzt in Momenten erledigt. Beziehungen, die geografisch fast unmöglich waren, sind selbstverständlich geworden.
Kommunikation passiert augenblicklich und Mitarbeiter*innen möchten im besten Fall lebenslang lernen.
Vor diesem Hintergrund benötigt jedes Unternehmen engagierte Führungskräfte, die Mitarbeiter*innen begeistern können, um langfristig auf der Erfolgsspur zu bleiben.
Die meisten Führungskräfte zeichnen sich in der Regel durch ein enormes Fachwissen aus und – leider – eine mangelnde Sozialkompetenz. Die Gallup-Studie bringt das auf den Punkt.
Mitarbeiter fühlen sich meist nicht wertgeschätzt, nicht gesehen und sind an ihr Unternehmen emotional kaum gebunden.
Die Folge ist:
weniger Eigeninitiative
weniger Leistungsbereitschaft
weniger Verantwortungsbewusstsein bis dahin, dass Mitarbeiter bereits innerlich gekündigt haben
Gallup Engagement Index
Quelle: Auszug der Pressemitteilung der Gallup GmbH, Berlin vom 18.3.2021 mit den neuen Untersuchungszahlen von 2020
Die neuen Generationen verlangen nach einen Trainer statt einem Manager, der sie führt und nicht herumkommandiert.
Niemand folgt heute mehr der Führungskraft, der militärisch befiehlt und delegiert – ein Coach wird verlangt, der das Team führt und die Stärken jedes Einzelnen herausarbeitet.
Millenniums und Generation Z schicken autoritäre Führungskräfte geradezu in die Frührente, verlangen dabei Team Leader, die sie als Individualisten wertschätzen, ihnen helfen und sie verstehen. Und weil der Anteil und die Macht dieser Arbeitsmarktgenerationen so immens groß ist, ist dieser Anspruch längst nicht mehr zu stoppen.
Für Führungskräfte bedeutet das, dass es auch nicht mehr um die Sicherstellung der Jobzufriedenheit per se geht.
Heute geht es um die Weiterentwicklung von Leistungsträgern, um fortlaufende Kommunikation und Kontakt, also Feedbackgespräche und Unterhaltungen über die Qualität der geleisteten Arbeit und die Herausstellung vom Sinn und Zweck des Wirkens, der gerade junge Mitarbeiter*innen enorm anspornt oder extrem demotiviert und sogar krank macht.
Und das ist nicht alles, denn die globalen Trends schlagen in die gleiche Kerbe: Jeder steht unter dem Druck, immer schlanker, agiler und flexibler zu arbeiten.
Mehr Produktivität und Qualität, mit streng kontrollierten Ressourcen.
Noch mehr Innovation und Technologie, um nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Die Fähigkeit, Talente perfekt zu managen, wird zum Vermögenswert eines Unternehmens. Und das alles im Zuge einer tiefgreifenden Transformation des grundlegenden Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Der Arbeitsmarkt verändert sich massiv und führt zu vertauschten Rollen:
Die Arbeitgeber bewerben sich um die besten Arbeitnehmer.
Die neue Generation von Mitarbeiter*innen haben klar definierte Erwartungen und Wünsche und zeigen dabei eine neue Haltung, die deutlich weniger von Respekt vor Autoritäten oder Hierarchien geprägt ist.
An diesem Punkt setzt meine Abschlussarbeit an.
Wie können Führungskräfte mithilfe von systemischen Coaching-Interventionen, Mitarbeiter*innen sehr individuell entwickeln, um das volle Potenzial aus ihnen herauszuholen?
Emotionale Intelligenz im Coaching
Coaching ist emotionale Intelligenz in der Praxis.
Emotionale Intelligenz (EQ) ist doppelt so wichtig wie kognitive Fähigkeit (IQ) bei der Vorhersage herausragender Leistungen.
Coaching ist nicht nur eine Technik, die unter bestimmten, vorgeschriebenen Umständen stur angewendet wird. Es ist eine Art der Führung und des Managements, eine Art des Umgangs mit Menschen, eine Art des Denkens.
Es ist die Fähigkeit, mit anderen auf der Grundlage von Vertrauen statt auf der Grundlage von Angst in Beziehung zu treten, und ist daher fest im interdependenten Bereich der Leistungskurve angesiedelt, die zu Höchstleistungen führt.
Erst 1995 machte das Buch von Daniel Goleman die emotionale Intelligenz in der Geschäftswelt nicht nur akzeptabel, sondern wünschenswert bis hin zur Notwendigkeit. „EQ. Emotionale Intelligenz“ ist zum weltweiten Bestseller geworden.
Golemans Forschungen zeigten, dass eine hohe emotionale Intelligenz (von ihm als EQ oder EI bezeichnet) Führungskräfte einen erheblichen Leistungsvorteil verschafft.
Demnach ist emotionale Intelligenz für den beruflichen Erfolg doppelt so wichtig wie akademisches oder technisches Wissen – und zwar für alle, nicht nur für Führungskräfte, und sowohl in Bezug auf Beziehungen als auch auf Produktivität.
Emotionale Intelligenz kann als zwischenmenschliche Intelligenz oder, noch einfacher, als persönliche und soziale Kompetenz beschrieben werden.
Goleman und andere haben viele Kompetenzen definiert, darunter Selbstvertrauen und Einfühlungsvermögen.