Abschlussarbeit von Martin Gressog, als PDF lesen
Die Entfernung ist unwichtig. Nur der erste Schritt ist wichtig.
Marquise du Deffand
Einleitung
Ziele sind in unserem Leben, im privaten sowie beruflichen Kontext, von großer Bedeutung.
Seit vielen Jahren wird Coaches und Führungskräften vermittelt, dass Ziele SMART sein sollten (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert), denn sie haben eine hohe Wahrscheinlichkeit erreicht zu werden.
Das Erarbeiten und Setzen von Zielen spielt für unser Glück eine entscheidende Rolle, denn das Erreichen eines gesteckten Ziels macht uns glücklich und steigert das Wohlbefinden.
Dabei ist es wichtig seine eigenen Werte und Bedürfnisse zu kennen.
Glückliche Menschen sind voller Ziele und Pläne und ihnen ist bewusst, was sie vom Leben erwarten und was sie glücklich macht.
Aus diesem Grund fällt es ihnen in der Regel leichter, sich passende Ziele zu setzen.
Aus diesem Hintergrund bekommt auch die Zielformulierung im Coachingprozesses einen wichtigen und bedeutenden Stellenwert.
Ohne ein klares Ziel wird es weder für den Coach noch für den Klienten möglich sein in eine Richtung zu arbeiten bzw. sich in eine Richtung zu entwickeln.
Nachdem der Klient mit dem Coach das Anliegen besprochen hat bzw. den Auftrag geklärt, geht es darum ein positives Ziel zu formulieren, dessen Erreichung für den Klienten erstrebenswert ist.
Eine positive Zielformulierung zeigt sich darin, dass der Klient sich zu etwas hinbewegen oder hin entwickeln möchte, sprich einen besseren und positiveren Zustand erreichen möchte.
Der Klient wird dabei vom Coach begleitet den Fokus von der Problemorientierung in die Lösungsorientierung zu wechseln.
Damit das Erreichen des Ziels nicht als ein Endpunkt betrachtet wird, sondern eher als ein Schritt oder Meilenstein von vielen, bietet sich die Arbeit mit dem Everest-Ziel an.
In dieser Arbeit wird das Everest-Ziel kurz definiert und beschrieben. Nachfolgend wird dann die Prozessarbeit mit dem Everest-Ziel im Coaching erläutert. Zum Abschluss gibt es einen Transfer in die Praxis und ein Fazit.
Definition Everest-Ziel im Coaching
Unter dem Begriff „Everest-Ziel“ versteht man im Coaching ein alternatives Zielkonzept, das nicht das Lösen von Problemzuständen als primäres Ziel verfolgt, sondern als Inspirations- und Motivationsquelle für den Klienten dient.
Everest-Ziele sollen den Blick des Klienten erweitern und über das bisher Gedachte hinausführen.
Das bedeutet, dass die Everest-Ziele nicht tatsächlich erreicht werden müssen, sondern das individuelle und außergewöhnliche Leistungsniveau durch eine derartige Vision, die das Everest-Ziel darstellt, aktiviert.
Schon allein der Weg zum Ziel wird als lohnend und oftmals auch Sinn stiftend empfunden.
Dieses Zielkonzept wurde von Kim Cameron ursprünglich für Unternehmen entwickelt. Er erkannte in seiner Arbeit mit Unternehmen, dass nachhaltiges Wachstum und außergewöhnlicher Erfolg stark mit der Art der Zielsetzung und dem Sinn des Unternehmens in Zusammenhang stehen.
Die Integration der Everest-Ziele in unser Denken und das intensive Nachdenken über die Wege dem Everest-Ziel näher zu kommen, ermöglicht persönliches Wachstum.
Das aktuelle Ziel kann somit ein wichtiges Anzeichen für den eigenen Lebenssinn sein.
Aus diesem Grund muss ein Everest-Ziel auch nicht SMART sein. Es sollte jedoch die nachfolgenden 5 Kriterien erfüllen:
▫ Es beschreibt eine positive Abweichung
▫ Es hat einen Eigenwert
▫ Es unterstützt die eigenen Potenziale und Stärken
▫ Es ist energetisierend und motivierend
▫ Es stellt einen Beitrag zu etwas Größerem dar
Die Arbeit mit Everest Zielen im Coaching
Die Arbeit mit dem Everest-Ziel ist eine Möglichkeit innerhalb des Coachings, um den Klienten dem eigenen Lebenssinn näher zu bringen und gleichzeitig auch mühsame und anstrengende Ziele motivational und emotional attraktiver zu gestalten.
Die Erarbeitung des Everest-Ziels im Coaching kann anhand eines 3-stufigen Prozesses erfolgen.
Coaching Prozess zur Erarbeitung von Everest-Zielen1
Erarbeitung einer positiven Zielformulierung
Basierend auf dem aktuellen Anliegen erarbeitet der Coach mit dem Klienten ein attraktives und positiv formuliertes Ziel.
Dabei ist es wichtig, dass der Klient sich mit dem Ziel identifizieren kann.
In der Erarbeitung unterstützt der Coach den Klienten durch lösungsfokussierte Fragestellungen.
Nachfolgende Fragen können bei der positiven Zielformulierung helfen:
▫ Was möchten Sie genau erreichen?
▫ Welcher Wunsch steht dahinter?
▫ Warum ist Ihnen das wichtig?
▫ Welche Gründe gibt es dafür?
▫ Was verändert sich, wenn Sie das Ziel erreicht haben?
▫ Welche Bilder weckt dieses Ziel in Ihnen, wenn Sie daran denken?
▫ Welches Gefühl entsteht bei diesem Ziel? Wie fühlt es sich an?
▫ Wie groß ist die Lust auf einer Skala von 1-10, nach der Realisierung des Ziels zu streben?
▫ Wer ist beteiligt? Wen brauchen Sie dazu das Ziel zu erreichen?
▫ Bis wann wollen Sie dieses Ziel erreichen?
▫Wenn Sie mit etwas Abstand auf Ihre aktuelle Situation und das Ziel schauen, welche Bedingungen scheinen Ihnen günstig, um mit der Umsetzung zu beginnen?
▫ Können Sie dieses Ziel aus eigener Kraft erreichen?
▫ Woran können Sie erkennen, dass Sie Ihr Ziel erreicht haben?
▫ Woran wäre von außen erkennbar, wenn Ihr Ziel erreicht wäre?
Erweiterung der Perspektive
Im zweiten Prozessschritt wird durch gezielte Fragen das aktuelle, positive Ziel in einen größeren Kontext gebracht.
Jetzt wird das eigentliche Everest-Ziel erarbeitet.
Wichtig in diesem Prozessschritt ist, dass das aktuelle Ziel, aus dem Prozessschritt 1, nicht als Endpunkt gesehen wird, sondern als Etappenziel und somit beim Klienten einen neuen Raum und eine neue Perspektive eröffnen soll.
Nachfolgende Fragen können dabei helfen, die Perspektive zu erweitern und das Everest-Ziel zu definieren:
▫ Was wäre, wenn das aktuelle Ziel nur der erste Schritt auf einem Weg ist, der deutlich weiterführt und es liegen noch mindestens 10 weitere Schritte vor Ihnen.
Wohin führt Sie, ganz am Ende, dieser Weg?
▫ Stellen Sie sich vor Sie besteigen einen großen Berg und Sie haben die erste Anhöhe des Berges erreicht.
Was erwartet Sie auf der nächsten und übernächsten Anhöhe bzw. hinter der nächsten Bergkuppel?
▫ Stellen Sie sich vor, das aktuelle Anliegen ist nur die erste Stufe einer Treppe, die 100 Stufen hat.
Was befindet sich dann auf Stufe 100?
▫ Was wäre, wenn das aktuelle Ziel nur das erste Kapitel eines Buches über Sie wäre.
Jedes Kapitel beschreibt, wie Sie für sich weitere große Schritte machen. Worüber wird dann im letzten Kapitel Ihres Buches berichtet?
▫ Was ist Ihr Traum oder Ihre Vision?
▫ Wenn sich in 10 Jahren von jetzt an alles in der bestmöglichen Art und Weise entwickelt hat, was ist dann entstanden?
Quellen bis hierher
1 Mangelsdorf, J. (2020), Positive Psychologie im Coaching