durch Pferdegestütztes Coaching
Christina Jüngst, als PDF lesen
Wie bereichert die Arbeit am Pferd das Systemische Coaching?
Einleitung
Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.
(Galileo Galilei)
Das Zitat von Galilei verdeutlich einen wesentlichen Aspekt der Grundhaltung eines Systemischen Coaches.
Als Prozessverantwortlicher handelt ein Systemischer Coach als Begleiter und Impulsgeber, nicht jedoch als Rat- oder Lösungsgeber. Wertfrei lässt sich der Coach dabei auf respektvolle und wertschätzende Weise auf die Realität des Coachee ein und macht diesen zum Experten seiner eigenen Lösung.
Durch den Prozess der Reflexion, Perspektiverweiterung und Selbsterfahrung wird dem Coachee der Zugang zur Lösung ermöglicht. Dafür wird ein konstruktiver Raum geschaffen, in dem der Coachee lösungs- und ressourcenorientiert arbeiten kann.
Obgleich der Coachee Experte für sich selbst ist, gibt es Bereiche und Felder, die nicht bewusst wahrgenommen oder sogar ausgeblendet werden.
Dies ist laut Joseph Luft und Harry Ingham der sogenannte „Blinde Fleck“ – etwas dem Coachee Unbekanntes, aber für andere Sichtbares (vgl. Johari-Fenster, 1955).
Coaching bedeutet den Coachee zu unterstützen, den Blick auszuweiten und dadurch neue Aspekte wahrzunehmen, zu identifizieren und daraus individuell passende Lösungsansätze zu entwickeln.
An dieser Stelle wird das Pferdegestützte Coaching relevant.
Pferde spiegeln sowohl bewusste als auch unbewusste innerer Prozesse und Emotionen, die sich beispielsweise durch die menschliche Körpersprache ausdrücken
(Schütz & Brämig, 2020)
Dabei reagieren sie bereits auf minimale Veränderungen, weshalb sie sich bestens als Co-Trainer eignen.
Durch die jeweilige Reaktion des Pferdes werden mögliche Themen des Coachee sichtbar. Diese können dann in Reflexionsprozessen vertiefend bearbeitet und näher durch den systemischen Ansatz beleuchtet werden.
In der folgenden Arbeit wird die Verschmelzung von dem Systemischen und Pferdegestützten Coaching näher betrachtet und durch Praxisbeispiele ergänzt.
Der Systemische Coaching Ansatz
Was Systemisches Coaching von anderen Konzepten abgrenzt, ist der Blick auf das gesamte soziale System und den gesamten Kontext.
Systemisches Coaching bedeutet, nicht isoliert das Thema des Coachee zu betrachten, sondern dieses im Zusammenhang mit dem sozialen System zu beleuchten.
Es besteht die Annahme, dass das Verständnis über die kontextuellen Umstände, die die Problemstellung beeinflussen, für die Lösungsfindung von Bedeutung ist.
Die Veränderungen eines einzelnen Systemelements hat somit Auswirkungen auf andere einzelne Sub-Systeme sowie das große Ganze. Somit besteht immer eine gegenseitig beeinflussende Wechselwirkung bei Veränderung (König & Volmer, 2019; InKonstellation, 2020).
Abbildung 1: Unterschiedliche Systemebenen und dessen Zusammenspiel
Das Super-Super-System beschreibt die Gesellschaft mit bestimmten Werten und Normen.
Ein Super-System darunter stellt beispielsweise eine bestimmte Region mit eigenen Sitten und Bräuchen dar.
Das betrachtete System könnte innerhalb der Region ein bestimmtes Familienhaus sein, welches auf Subsystemebene einzelne Familienmitglieder beinhaltet, welche wiederum unterschiedlich zueinander in Beziehung stehen und jeweils unterschiedliche Persönlichkeitseigenschaften besitzen.
Dass Veränderungen in sozialen Systemen enorme Auswirkungen auf ein Individuum haben können, kann auch im Pferdegestützten Coaching beobachtet werden.
Beispiel aus der Praxis
In einer Coachingsitzung arbeiteten Coachee und Pferd bereits mehrere Minuten fokussiert und erfolgreich zusammen.
Als die Mutter des Coachee an die Bande der Reithalle kam, dauerte es nur wenige Sekunden, bis das Pferd ausstieg und sich unruhig wegdrehte.
Die reine Anwesenheit der Mutter reichte, um den Flow zu unterbrechen.
Eine andere Haltung wurde bei dem Coachee hervorgerufen, die das Pferd direkt durch starke Unruhe zum Ausdruck brachte. Die Mutter triggerte in dieser Situation etwas in dem Coachee, dessen Ausmaß erst durch das Verhalten des Pferdes sichtbar und somit ins Bewusstsein gerufen wurde.
In der anschließenden Analyse konnte reflektiert werden, dass die Mutter Leistungen des Coachee selten honoriere oder wahrnehme, geschweige denn dem Coachee das Gefühl vermittle, dass sie ihm etwas zutraue.
Dieser bis dato nicht bekannte Trigger/Impuls führte also unterbewusst zu einer angespannten Haltung und Ablenkung bei dem Coachee.
Im weiteren Coaching Prozess wurde daran gearbeitet, den negativen Einfluss der Mutter auf die Gefühlswelt und Einstellung des Coachee zu verringern.
Die Förderung des eigenen Vertrauens in sich selbst sowie die Erlaubnis, Reaktionen wahrzunehmen und eigene Entscheidungen mit einem guten Gefühl, unabhängig von der Mutter, zu treffen, standen dabei im Vordergrund.
Nach König & Volmer (2019) ist das Verhalten eines sozialen Systems von dem Zusammenwirken verschiedener Faktoren abhängig:
– den handelnden Personen
– ihren subjektiven Deutungen
– den sozialen Regeln
– den wiederkehrenden Verhaltensmustern
– den materiellen und/oder sozialen Systemumfeldern
– den bisherigen Entwicklungen und Erfahrungen.
Bei der Arbeit des Coachings liegt der Fokus auf Mustern und Regeln, den Veränderungen des Systemzustandes und den Strukturen innerhalb des Gesamtgefüges.
Dabei leiten die Hauptfragen „Was bewirkt was?“ sowie „Was ist da und was fehlt?“.
Pferdegestütztes Coaching
In der Vergangenheit wurde bereits bewiesen, dass die Zusammenarbeit mit Tieren positive Wirkungen auf den Menschen haben kann.
Die Interaktion mit den Tieren wirkt stresssenkend, emotional öffnend und auch handlungsmotivierend.
Somit wird ein leichtes und nachhaltiges Lernen ermöglicht (Greiffenhagen & Buck-Werner, 2011)
. Durch die Arbeit auf emotionaler Beziehungsebene ist das Coaching nachhaltig und es wird der Kern und nicht das Symptom einer Thematik bearbeitet.