Coaching: Selbstvertrauen wiederentdecken

Durch Selbstvertrauen zu einem selbstbewussten beruflichen Neustart

Abschlussarbeit von Samy Ragheb, als PDF lesen


Einleitung

Wir leben in einer schnell wachsenden und globalisierten Welt.

Vieles verändert sich in hohem Tempo und die Anforderungen an einzelne Menschen neigen dazu, zu steigen. Die Vielfalt sozialer Medien, dauernde Erreichbarkeit bei gleichzeitig wachsender Anonymisierung stellt den Menschen heutzutage vor immer neue Herausforderungen.

Herausforderungen, denen nicht jeder gewachsen ist und bei deren Bewältigung Unterstützung benötigt wird. Dies gilt sowohl im beruflichen, als auch im privaten Kontext.

Das Umfeld der heutigen Gesellschaft wird oft als VUCA Welt bezeichnet. VUCA ist ein Akronym und steht für die englischen Begriffe Volatility (Flüchtigkeit), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambigiuity (Mehrdeutigkeit).

Der Begriff ist in seinem Ursprung militärisch geprägt und wurde dazu genutzt die neue, multilaterale Welt nach dem Ende des kalten Krieges zu beschreiben

(Mack, 2016)

Heute findet er besonders im Business Kontext Anwendung, um die vielfältigen Anforderungen und Unsicherheiten zu beschreiben, mit denen Mitarbeiter und Führungskräfte heutzutage umgehen müssen.

Bedingt durch die Tatsache, dass es nicht mehr den einen Weg oder Prozess gibt, welcher zu Lösung oder Erfolg führt, kommt es häufig zu Unsicherheiten und damit einhergehendem Leistungsdruck.

War es noch vor zwei Jahrzehnten Gang und Gäbe, dass ein Mitarbeiter seine gesamte Berufslaufbahn in ein und demselben Unternehmen verbringt, so ist es heute eher die Regel, dass Mitarbeiter nach kürzeren Zeitabschnitten den Bereich oder das Unternehmen wechseln um Ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit auszubauen und sich stetig weiterzuentwickeln (Klös, 2018).

Hierbei stellt sich die Frage, welche Auswirkungen gerade diese Unsicherheiten auf den Mitarbeiter und letzten Endes den Menschen haben.

Wie gehen Menschen mit Druck um?

Wie werden Entscheidungen getroffen?

Welche Risiken umgeben den Menschen in seinem beruflichen und sozialen Umfeld?

All dies sind Fragen, die man sehr kritisch stellen sollte, wenn man sich mit den Anforderungen und Belastungen auseinandersetzt, welche der Mensch sich heutzutage stellen muss.

Vor allen Dingen ist es hierbei interessant zu betrachten, wie der Mensch mit diesen Belastungen umgeht, wie er sich damit auseinandersetzt und  welchen Einfluss es auf ihn als Individuum hat 1.

Spätestens bei dieser Fragestellung wird klar, dass die beruflichen Anforderungen einen Einfluss auf das soziale Umfeld des Menschen haben. Somit ist klar, dass es hier keine Trennschärfe mehr geben kann (Clemens, 2010).

Wie geht man nun als Arbeitgeber oder auch als individueller Mensch mit dieser Situation um?

Eine anerkannte und salonfähige Methode sich seinen Problemen zu stellen und Klärung herbeizuführen, ist das Coaching.

Der Begriff des Coachings begegnet einem heutzutage immer mehr und immer verstärkter. Während der Ursprung des Begriffs in den Anfängen des 19. Jahrhunderts zu finden ist und übersetzt „Kutscher“ bedeutet, wurde er schon wenige Jahrzehnte später durch die Bedeutung von universitärer Nachhilfe und Unterstützung bei sportlicher Entwicklung geprägt (Migge, 2018).

Heute wird Coaching als Synonym, für eine Vielzahl von Tätigkeiten und Begriffen genutzt.

Grundsätzlich steht der Begriff des Coachings immer im Zusammenhang mit entwicklungsorientierten und beratenden Prozessen

(Greif & Rauen, 2019)

Der Mensch wird sich dem Bedürfnis nach Unterstützung bewusst und sorgt entsprechend für Abhilfe. Bedarf es einer psychotherapeutischen Unterstützung, oder kann mithilfe eines Coachings eine Klärung herbeigeführt und Ressourcen aktiviert werden?

Wie kann Coaching einem Menschen dabei helfen, für sich selber Klarheit zu bekommen, Ressourcen zu aktivieren und sich den eigenen Herausforderungen kraftvoll zu stellen?

Es gilt eine Abgrenzung zwischen Coaching und Psychotherapie zu definieren um eine trenngenaue Entscheidungsgrundlage sowohl für den Coach, als auch für den Coachee zu schaffen.

Der Bedarf nach einem Coaching ist auch für Herrn John Doe 2 (im weiteren Verlauf auch als Coachee oder Klient bezeichnet) deutlich geworden und er hat sich in diesem Sinne an den Autor (im weiteren Verlauf auch als Coach bezeichnet) dieser Arbeit gewandt.

Die vorliegende schriftliche Ausarbeitung dient der Darstellung und Analyse des Coaching Prozesses von John Doe, begleitet und durchgeführt von Samy Ragheb, dem Autor dieser Arbeit.

Problemstellung

John Doe, ein 40 – 50-jähriger Mann wendet sich an den Autor und Coach mit der Bitte, ihn in der Phase seiner beruflichen Neuorientierung zu unterstützen und ihn bei der Klärung einiger grundlegender Fragestellungen zu begleiten.

Herr Doe hat die letzten 15 Jahre in einer leitenden Position in einem großen Unternehmen gearbeitet. Im Rahmen einer Fusionierung kam es hier zu strukturellen Veränderungen, welche er für sich als Anlass genommen hat, das Unternehmen zu verlassen und sich beruflich neu auszurichten.

Zum Zeitpunkt der Auftrag Stellung ist er freigestellt.

John wünscht sich, dass er durch das Coaching mehr Klarheit erlangt, welchen beruflichen Werdegang er in Zukunft einschlagen möchte und was er für sich erreichen möchte.

Hierbei ist es ihm sehr wichtig, dass seine Familie in diese Betrachtungen mit einbezogen wird.

Er hat verschiedene Ansätze in petto, welche er zum Teil mit Ambivalenz betrachtet. Er möchte mittels mehrerer Coaching Sitzungen für sich Klarheit schaffen, was er wirklich möchte, was ihn herausfordert, was ihn erfüllt und was ihn, sowohl beruflich als auch privat, ausgeglichen und zufrieden werden lässt.

Zielsetzung

Diese Seminararbeit befasst sich mit den erfolgskritischen Faktoren eines Coaching Prozesses zur Klärung verschiedener, komplexer Anliegen eines Coachees, im Rahmen mehrerer Coaching Sitzungen mittels der Durchführung verschiedener Interventionen.

Ziel dieser Arbeit ist es, diese erfolgskritischen Faktoren zu identifizieren, zu analysieren und die daraus gewonnenen Erkenntnisse so darzustellen, dass diese mit einem Mehrwert, sowohl für den Coach als auch den Coachee, in der Praxis implementiert und reproduziert werden können.

Theoretischer Bezugsrahmen

In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen, welche als Basis für die weiteren Teile der Arbeit dienen, in wenigen Abschnitten erläutert.

Definition systemisches Coaching

Den Begriff des systemischen Coachings im wissenschaftlichen Sinne genau zu definieren, ist eine Herausforderung.

Der Begriff ist nicht geschützt und wird daher mitunter kontrovers diskutiert (Migge, 2018).

Insgesamt werden unter dem Sammelbegriff des Coachings verschiedene Beratungsprozesse zusammengefasst. Hierzu gehören z.B. Einzelcoachings, Teamcoachings, Projektcoachings, etc.

Im Unterschied zur klassischen Beratung erbringt beim Coaching der Klient, nicht der Coach, die Lösung.

Der Coach wird als Prozessbegleiter verstanden, der die Entwicklung der Lösung durch den Klienten begleitet (Rauen, 2005).

Migge definiert Coaching als geleichberechtigen Prozess zwischen Klient und Berater. Der Klient beauftragt den Berater ihm behilflich zu sein: bei der eigenen Standortbestimmung, der Schärfung von Zielen und Visionen, sowie bei der Entwicklung von Problemlösungen, Umsetzungsstrategien, dem Ausbau von Kompetenzen, verantwortungsvoller Steigerung der Leistungen, etc.

Dadurch soll der Klient an Klarheit, Handlungs-, Leistungs-, und Bewältigungskompetenz gewinnen.

Dieser Prozess soll zum Ziel haben, dass der Klient langfristig eine höhere Lebensqualität erfährt, bedingt durch die Übereinstimmung seiner Werte und Lebenswirklichkeiten (Migge, 2018).

Migge beschreibt Coaching als eine handlungs- und ergebnisorientierte Interaktion, welche eine Abgrenzung von der klassischen Beratung erfährt.

Im Laufe der Jahre und  der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Coachings wird deutlich, dass eine isolierte Betrachtung des Klienten keinen Sinn macht. Er muss als Bestandteil der Systeme analysiert werden, derer er zugehörig ist.

Die Systemtheorie ist Ende der 1940er-, Anfang der 1950er-Jahre entstanden.

In der Psychologischen Forschung wurde zunehmend deutlich, dass das traditionelle lineare Ursache-Wirkungs-Denken zur Lösung komplexer Probleme nicht ausreicht.

Komplexe Prozesse lassen sich nicht einfach aus einer Ursache erklären. Es wirken verschiedene Faktoren wechselseitig aufeinander (König, Volmer, 2019).

Auch wenn es eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen und Interpretationen gibt, so haben die meisten folgendes gemeinsam: Allen Konzepten liegt ein konstruktivistisches Verständnis zu Grunde, demzufolge sich Menschen ein Bild der Wirklichkeit machen, das grundsätzlich veränderbar ist.

Für Coaching folgt daraus, dass ein Coach keine Lösungen vorgeben darf, sondern immer nur unterstützen darf, neue Lösungen zu finden und sich selbstweiterzuentwickeln.

Hierbei ist es die Aufgabe des Coaches den Klienten, durch die Anwendung verschiedener Methoden, bei der Lösungsentwicklung zu begleiten.

Der Klient hat als Teil der ihn umgebenden Systeme betrachtet zu werden.

Es ist nicht hilfreich ihn als isoliertes Individuum zu betrachten, da die Wechselwirkungen der verschiedenen Systeme für den Klienten von enormer Wichtigkeit sind

(König, Volmer, 2019)

Aus diesen Erkenntnissen ist das systemische Coaching entstanden.

Hierbei handelt es sich lediglich um eine kurze Paraphrasierung der Herkunft der Systemtheorie. Diese ist äußerst vielfältig und verfügt über die verschiedensten Perspektiven und Paten.

Die Systemtheorie hier in ihrer Gänze aufzuführen, würde den Rahmen dieser Seminararbeit sprengen.

Für die vorliegende Seminararbeit wird festgehalten, dass systemisches Coaching die Interaktion zwischen Coach und Klienten darstellt, bei der der Coach sich den verschiedenen Systemen bewusst ist, welchen der Klient zugehörig ist, und ihn als Teil dieser Systeme betrachtet, nicht als herausgelöstes Individuum.


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Fußnoten bis hierher

1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text verallgemeinernd das generische Maskulinum verwendet. Diese Formulierungen umfassen gleichermaßen männliche und weibliche Personen; alle sind damit selbstverständlich gleichberechtigt angesprochen.
2 Der Name John Doe steht hier als fiktiver Name zur Anonymisierung des Coachees.