Einsatz von NLP-Methoden
im Rahmen der konservativen Adipositastherapie
Abschlussarbeit von Isabell Sieberz, als PDF lesen
Erfolgreiche Veränderungsprozesse erfordern klare Ziele
Viele Menschen träumen von einem schlankeren und gesünderen Körper.
Nicht ohne Grund, schließlich sind laut Robert Koch Institut zwei Drittel der Männer (67 %) und die Hälfte der Frauen (53 %) in Deutschland übergewichtig.
Ein Viertel der Erwachsenen ist sogar stark übergewichtig und damit adipös.
Eine nachhaltige Reduktion des Körpergewichts erfordert allerdings eine grundlegende Anpassung des Lebensstils der Betroffenen sowie auch die Etablierung neuer Gewohnheiten, wie z.B. vermehrte Bewegung, optimiertes Essverhalten und eine gesunde und kalorienreduzierte Auswahl und Zusammenstellung an Lebensmitteln.
Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung eines solchen Veränderungsprozesses stellt die klare Bestimmung des persönlichen Abnehmziels dar.
Nur wenn der Übergewichtige sein Abnehmziel klar formuliert und eine genaue Vorstellung von seinem angestrebten Zielzustand hat, gewinnt seine Handlung an Richtung und Präzision.
Er muss genau wissen, was er erreichen möchte.
Fokus sollte also auf “Hin-zu“, nicht auf „Weg-von“ liegen.
Denn dorthin, wo der Klient seinen Fokus lenkt, fließt auch seine Energie und er bewirkt eine Veränderung hin zum angestrebten Zielzustand.
„Hin-zu“ anstatt „Weg-von“
Ein einfaches Beispiel macht die Wichtigkeit dieses Prinzips deutlich:
Klient A möchte in Zukunft schlanker und gesünder leben. Daraufhin formuliert er z.B. das Ziel, in Zukunft keine Schokolade mehr essen zu wollen.
Diese Zielformulierung ist auf unterschiedliche Arten unglücklich gewählt, denn nur weil der Klient keine Schokolade mehr essen möchten, bedeutet dies nicht, dass er dadurch automatisch schlanker und gesünder wird.
Vielleicht greift er als Kompensationsmittel in Zukunft zu Chips oder gar Zigaretten und wird damit zum Raucher.
So hat er zwar sein formuliertes Ziel, weniger Schokolade zu essen, erreicht, nicht aber sein eigentlich gemeintes Ziel, nämlich ein schlankeres und gesünderes Leben zu führen.
Als anderes einleuchtendes Beispiel kann der Coach dem Klienten, das Coaching auch als „Reise“ erklären, bei der der Klient gerade am Fahrkartenschalter steht und sein Ziel festlegt.
Er wird nicht das richtige Ticket bekommen, wenn er nur angibt, weg aus Köln zu wollen. Er muss sein konkretes Reiseziel angeben, den Zustand, den er erreichen möchte, nicht den, den er verlassen möchte.
Eine wichtige Aufgabe des Coaches ist es also, den Klienten in seiner Zielformulierung zu unterstützen und diese gegebenenfalls zu korrigieren.
Schließlich ist der Klient nur in der Lage sein Ziel zu erreichen, wenn er ganz genau weiß, wohin er auch möchte.
Begegnung mit dem Zukunfts-Ich
Ein wohlgeformtes Ziel fordert den Klienten zum Handeln heraus, ohne ihn dabei zu überfordern.
Erst so kann er Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden und dabei erfolgs- und zielorientiert handeln. Er bekommt eine Art Richtschnur in die Hand, der er gerne folgt, mit deren Hilfe er seine Ressourcen bündeln, seine Erfolge messen und seine Energie auf einen Punkt konzentrieren kann (Wehrle 2019).
Im NLP nennt man diesen Ansatz Ergebnisbestimmung oder Outcome-Frame (Dannemeyer und Dannemeyer 2016). Der Coach unterstützt den Klienten auf seiner Reise von der Gegenwart in die Zukunft.
Der Klient begegnet also seinem Zukunfts-Ich mit Hilfe der VAKOG+1 Technik. Auf diese Art und Weise wird für den Klienten der Weg zum Ziel frei.
Seine Idee wird zur Realität und er wird damit zum Schöpfer seiner eigenen Wirklichkeit.
SMART sollte das Abnehmziel sein
Um den Klienten in seiner Zielformulierung zu unterstützen, bietet sich z.B. der Einsatz des SMART-Prinzips an.
Ein wohlgeformtes Ziel sollte demnach die folgenden Kriterien erfüllen:
Spezifisch
Messbar
Attraktiv
Realistisch
Terminiert
Als Beispiel dient der alljährliche Vorsatz vieler Menschen zum Jahreswechsel:
„Im neuen Jahr nehmen ich ab!“
Bei einer solchen Zielformulierung passiert meistens gar nichts. Dies liegt daran, dass eine solche Zielformulierung zu allgemein und abstrakt ist, d.h. sie ist weder spezifisch, noch messbar, wenig attraktiv, kaum realistisch und nicht terminiert.
Sie trifft also keines der angegebenen Kriterien des SMART-Prinzips und so hat der Klient auch keine Orientierung und kann sein Ziel kaum erreichen.
Ein besseres Beispiel wäre das Ziel:
„Mit einem konkreten Ernährungsplan und drei Bewegungseinheiten pro Woche nehme ich bis zum 28. Februar mindestens 5 Kilogramm ab, sodass ich dann wieder in meine alte Lieblingsjeans passe.“
Die Anwendung des SMART-Prinzips zeigt, dass diese Zielformulierung alle wichtigen Kriterien erfüllt und damit den Klienten zu erfolgs- und zielorientiertem Handeln befähigt.
Spezifisch –
5 kg Abnahme bis Ende Februar mithilfe eines konkreten Ernährungsplans und drei Bewegungseinheiten pro Woche
Messbar –
das Ziel ist erreicht, wenn die Waage minus 5 kg zeigt und die alte Lieblingsjeans wieder passt
Attraktiv –
Ziel beinhaltet das Passen der alten Lieblingsjeans (emotionaler Wert)
Realistisch –
mit einem konkreten Plan sind 5 kg in zwei Monaten durchaus realistisch
Terminiert –
Ende Februar soll das Ziel erreicht sein
Je klarer der Zielrahmen desto erfolgreicher die Zielerreichung
Zur weiteren Überprüfung und Konkretisierung des Abnehmziels kann der Coach den Zielrahmen näher abfragen, um so dem Klienten den gewünschten Zielzustand noch näher zu bringen, etwaige Probleme in der Zielerreichung aufzuzeigen und notwendige Ressourcen zu identifizieren. Im folgenden werden sieben Fragen zur Konkretisierung des Zielrahmens am Beispiel eines konkreten Abnehmziels aufgezeigt (Dannemeyer und Dannemeyer 2016).
1. Zielbestimmung –
Was möchte der Klient erreichen? Was ist sein Traum?
Möchtest Du schlank sein? Gesund sein? Attraktiv sein? Mobiler werden? Inneren Frieden finden? Möchtest Du Dich endlich wohl in Deinem Körper fühlen? Möchtest Du Erfolg haben? Einen Partner finden? Wofür möchtest Du abnehmen? etc.
2. Repräsentation des Ziels in allen Wahrnehmungssystemen (VAKOG+) –
Wie wird der Klient wissen, dass er sein Ziel erreicht hat?
Wie wird es sich anfühlen, abgenommen zu haben? Wie gehst Du anders durch Deinen Alltag? Bewegst Du Dich anders? Umgibst Du Dich mit anderen Menschen? Was wirst Du sehen, hören, riechen, schmecken? Siehst Du die Welt vielleicht mit anderen Augen? Siehst Du Dich vielleicht mit anderen Augen? etc.
3. Konsequenzen für den Klienten bei Zielerreichung –
Wie verändert sich das Leben des Klienten, wenn er sein Ziel erreicht hat?
Wie wird Dich Deine Umwelt wahrnehmen, wenn Du Dein Ziel erreicht hast?
Was wird passieren, wenn Du abgenommen hast? Was musst Du in Zukunft vielleicht anders organisieren? Was möchtest Du vielleicht ganz bewusst ändern?
Was wirst Du durch diese Veränderung dazu gewinnen?
4. Lebensbereiche, die durch das Ziel „mitbetroffen“ sind –
Gibt es bestimmte Bereiche oder Situationen im Leben des Klienten, in denen er das Ziel lieber nicht erreichen würde?
In welchem Zusammenhang möchtest Du abnehmen? Möchtest Du vielleicht mit jemandem gemeinsam abnehmen? Wie geht Dein Partner oder Deine Familie mit Deinem Abnehmwunsch um? Gibt es auch Situationen, in denen Du Dein Abnehmziel lieber verwerfen würdest? Gibt es Situationen, in denen Du nicht gerne schlanker wärst?
5. Bestimmung des Nutzens, den der Klient ohne Zielerreichung hat –
Gibt es etwas, das der Klient durch die Zielerreichung verlieren könnte?
Welchen Nutzen hat die Abnahme für Dich? Welchen „Preis“ muss Du zahlen, um endlich schlanker zu sein? Bist Du bereit, diesen „Preis“ zu zahlen?
6. Einwände/Begrenzungen, die die Zielerreichung behindern –
Gibt es bestimmte Faktoren, die die Zielerreichung beim Klienten bislang verhindert haben?
Warum haben bisherige Abnehmversuche nicht funktioniert? Woran bist Du bis dato gescheitert? Was waren die Probleme, die aufgetreten sind? Und könnten Sie bei der jetzigen Zielerreichung auch eine Rolle spielen? Hast Du Erfahrung mit Selbstsabotage? Welche Verhaltensweise musst Du ändern, um endlich erfolgreich abzunehmen?
7. Ressourcen –
Welche ersten Schritte können dem Klienten dabei helfen, sein Ziel zu erreichen?
Was brauchst Du, um erfolgreich abzunehmen? Wie könntest Du Dich vorbereiten, um nicht wieder zu scheitern? Wer könnte Dich auf Deinem Abnehmweg unterstützen? Wie kannst Du Deinen Alltag bzgl. der Zielerreichung besser organisieren? Welche ersten Schritte kannst Du bereits in den nächsten 72 Stunden umsetzen? Welche Schritte kannst Du in naher Zukunft umsetzen? Lassen sich Etappenziele oder Meilensteine definieren, um die Erreichung Deines Ziels regelmäßig zu überprüfen? Welche Glaubenssätze könnten den Abnehmwunsch positiv unterstützen?
Alternativ kann hier auch das Format INKONST1 angewandt werden, das ebenfalls dabei hilft, den Zielrahmen genauer zu definieren. INKONST1 ist eine Weiterentwicklung des PABSBRAGÖR(F) nach O’Connor und Seymour (2013), das von Timo Schlage (2021) am NLP-Schulungszentrum „InKonstellation“ in Köln gelehrt wird.
1 Nach dem NLP-Modell nutzen Menschen ihre fünf Sinneskanäle (VAKOG) mit unterschiedlichem 1 Schwerpunkt und erleben so ihre eigene Welt ganz individuell verschieden. Der äußere Reiz, z.B. ein Sonnenstrahl oder die Stimme eines Freundes, werden über das Nervensystem durch elektrische oder chemische Signale in das Gehirn weitergeleitet. Mit der VAKOG+ Technik erzeugt der Coach genau solche äußeren Reize wie Bilder, Klänge, Gefühle und andere Empfindungen in der Vorstellung des Klienten, die geankert und bei Bedarf immer wieder abgerufen werden können. „VAKOG+“ bedeutet die Ansprache der Sinneskanäle (visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktortisch und gustatorisch), auch Modalitäten genannt, in Kombination mit Submodalitäten. Submodalitäten sind die nächst kleineren Bausteine des subjektiven Erlebens.