Das Vorgespräch zur systemischen Aufstellung

Abschlussarbeit


Vorwort

Diese Hausarbeit schreibe ich im Rahmen meiner Ausbildung zur Leiterin für systemische Aufstellungen und Familienaufstellungen.

Das Thema „Das Vorgespräch zur systemischen Aufstellung“ habe ich selbst gewählt.

Im Laufe der Ausbildung ist mir bewusst geworden, wie wichtig ein adäquates Vorgespräch für den Verlauf einer erfolgreichen systemischen Aufstellung ist.

Da dies meine erste fachfremde Ausbildung ist, habe ich bemerkt, dass diese erste Phase der Kontaktaufnahme mit dem Klienten, das gemeinsame Herausarbeiten des Themas bzw. Zieles für mich teilweise ein schwieriger Einstieg in den Prozess ist.

Deshalb nutze ich die Gelegenheit, mich im Rahmen dieser Hausarbeit mit diesem Thema noch einmal etwas ausführlicher zu befassen.

Rapport

Rapport bezeichnet im weitesten Sinne die Beziehungsgestaltung vom Coach zum Klienten. Im Laufe des Gesprächs, sollte dem Klienten ein zunehmendes Gefühl von Sicherheit, Nähe und Verständnis vermittelt werden um ihn in einen Zustand der Offenheit, Neugier und Konzentration zu bringen. Der Coach sollte sich in das Wesen des Klienten einfinden können. Indem er entscheidende Schlüsselwörter der Beschreibung des Themas aufgreift und Bilder und Gefühle des Ratsuchenden wiederspiegelt, baut er eine Beziehung zum Klienten auf, um ihn dann in Lösungsfokussierte Bahnen lenken zu können.

Kliententypen

Nach einem Modell von  Steve de Shazer lassen sich verschiedene Kliententypen unterscheiden. Über die Grundverhaltensmuster die die unterschiedlichen Klienten auszeichnen, kann der Coach oftmals schon erkennen aus welcher Motivation heraus der Klient zur Aufstellungsarbeit gefunden hat.
Die verschiedenen Verhaltensmuster werden nach de Shazer wie folgt beschrieben.

Der Kunde

Kunden können schon vor Beginn des Vorgesprächs ihr Thema klar beschreiben. Der Kunden-Typus hat ein hohes Maß an Selbstreflexion und nimmt Interventionen und Vorschläge dankbar an.

Der Besucher

Besucher sind unter Umständen nicht freiwillig zum Aufstellungsseminar gekommen. Sie wurden beispielsweise vom Chef oder Familienangehörigen zum Seminartag „gescihickt“. Die Beziehungsgestaltung entwickelt sich unter Umständen etwas schwieriger, als beim vorherigen Kliententypen. Es ist möglich, dass der „Besuicher“ wenig Motivation zeigt sich dem Prozess zu öffnen.

Der Aufstellungsleiter sollte hier besonders auf nonverbale Äußerungen achten und zwischen den Zeilen lesen können.

Der Klagende

Klagende Klienten nutzen ihre Energie oftmals um ihre Themen aus verschiedenen Sichtweisen in sehr destruktiver Weise darzustellen, sie neigen dazu sich in einer Opferrolle zu sehen und mit Einwänden wie z.B. „Ja, aber…“oftmals an diesen alten Mustern festzuhalten. Es erfordert ein sehr geduldiges, behutsames Agieren des Coaches, das oftmals hartnäckige Muster des Klagenden zu durchbrechen.

Der Co-Berater

Das Grundverhalten des Co-Beraters wurde von Sonja Radatz zu dem Modell von de Shazer ergänzt. Hierbei handelt es sich um den Klienten der sowohl sein Thema, als auch eine fast perfekte Lösung mitbringt. Bei den Co-Beratern ist nochmal eine besondere Achtsamkeit des Aufstellungsleiters von Nöten, da hier ein Thema „hinter“ dem Thema liegen könnte.

Die Haltung des Coaches

Die Haltung des Coaches erfordert Gelassenheit und Achtsamkeit für sich und den Klienten. Der Coach sollte mit einer wertschätzenden und wertfreien Wahrnehmung den Klienten in seinem Prozess begleiten.

Im erfolgreichen Vorgespräch sollte es dem Aufstellungsleiter gelingen, den Klienten in die Lage zu versetzen eigene Ressourcen, Kraftquellen und Handlungspotentiale zu erkennen und somit eine neue Sichtweise auf das Thema zu erlangen. Der Coach setzt Impulse, damit der Klient schon vor der Aufstellungsarbeit seine alten defizit- bzw. problemorientierten Denkmuster in lösungsorientierte Ressourcen umwandeln kann. Der Coach ist bemüht eine neutrale Haltung gegenüber dem Klienten und dem Thema einzunehmen.

Exkurs: Die Arbeit mit dem Genogramm

Es gibt Aufstellungsleiter die im Rahmen des Vorgespräches mit dem Klienten ein Genogramm erstellen. Ein Genogramm ist eine Art ausführlicher Familienstammbaum in dem bekannte wichtige Ereignisse, Krankheiten, Scheidungen, Adoptionen, Abtreibungen u.ä. eingetragen werden.

„Genogrammliebhaber“ begründen ihre Arbeit mit dem Genogramm, indem sie sich einen guten Überblick im System verschaffen wollen, insbesondere, wenn ein Klient plant die Aufstellungsarbeit weiter zu verfolgen und mehrere Termine wahrnehmen möchte.

Coaches, die die Genogrammarbeit ablehnen, argumentieren meist mit dem Zeitfaktor den die Erstellung beansprucht und mit der Gefahr des „Primings“.

Unter diesem Aspekt stellt sich die Frage, ob man neutral und unvoreingenommen arbeiten kann, wenn man zu viele Details des Systems kennt?

Aufstellungsleiter ,die nicht mit dem Genogramm arbeiten ,verlassen sich auf   die Arbeit mit dem System, d.h. was sich zu diesem Zeitpunkt in der Aufstellung zeigt und wo die Energien des Felds hinführen.

Ziele des Vorgesprächs

Nachdem eine Beziehung zum Klienten hergestellt wurde, versucht der Coach zusammen mit dem Klienten das Thema klar herauszuarbeiten und ein Ziel zu formulieren. Es wird die Anzahl der erforderlichen Vertreter festgelegt und Personen aus der Teilnehmergruppe bestimmt.

Außerdem entscheidet der Aufstellungsleiter im Rahmen des Interviews, mit welchem Aufstellungsformat er arbeiten möchte und stellt dieses dem Klienten vor.

Systemische Fragetechniken

Systemische Gesprächs- und Fragetechniken bringen nicht nur Informationen und Antworten hervor, sondern fördern die Ideenbildung und laden zu neuen Sichtweisen ein.

Im Folgenden werde ich einige wichtige Fragetechniken beschreiben.

Zirkuläre Fragen

Zirkuläre Fragen beinhalten Fragen nach Zusammenhängen und Unterschieden, sie verdeutlichen die Wechselwirkungen im Beziehungsprozess. Die Sichtweisen aller Personen des Systems werden einbezogen, dadurch können Empathie und Verständnis für die „Realität“ der anderen Betroffenen gefördert werden.

Beispiel:

-Was würde Person X zu diesem Thema sagen?

-Wenn Person X jetzt hier wäre, was würde sie antworten?

Skalierungsfragen

Mit Hilfe von Skalierungsfragen kann man z.B. auf einer Skala von 1-10, oder in Prozentangaben, die Gewichtigkeit eines Themas verdeutlichen und Unterschiede oder schon herausgearbeitete Veränderungen hinterfragen, bzw. sichtbar machen.

Beispiel:

-Wo auf dieser Skala von 1-10 stehen sie jetzt, wo wollen sie am Ende der  Aufstellung stehen?

-Wie groß ist der empfundene Druck jetzt?

Auf Antworten der Skalierungsfragen kann man sehr gut Fragen anknüpfen, die den  Prozess in die gewünschte Richtung leiten.

Beispiel:

– Sehen sie die Möglichkeit eine 10 zu erreichen?

– Welcher Wert wäre momentan maximal möglich?

Lösungsorientierte Fragen

Die lösungsorientierten Fragen beschäftigen sich mit den Ausnahmen und Ressourcen und lenken somit den Fokus weg von den Problemen hin zur Lösung.

Beispiel

-Wann taucht das Thema weniger auf? Was machen sie dann anders?

-Wie haben sie es bis heute geschafft mit dieser Sache fertig zu werden?

Zukunftsorientierte Fragen

Die zukunftsorientierten Fragen befassen sich mit den hypothetischen Folgen eines Verhaltens, sie kreieren Zukunftsentwürfe die neue Verhaltensmöglichkeiten darstellen.

Beispiel:

-Wie möchten sie in einem Jahr leben?

-Was würde ihr Vorbild in einer solchen Situation machen?

Hypothetische Fragen

Hypothetische Fragen sind Fragen nach Annahmen über Beziehungen, Wechselwirkungen zwischen Symptomen und Beziehungen oder Zusammenhängen im System. Hypothetische Fragen sollen zur Anregung von Veränderungen beitragen und Lösungsoptionen sichtbar werden lassen.

Beispiel:

-Welche gute Absicht könnte hinter dem Thema liegen?

Fragen nach Neueschreibungen (Reframes)

Fragen nach Neubeschreibungen zeigen, dass es für jedes Problem unterschiedliche Sichtweisen gibt. Das Ziel der Fragetechnik ist, diese Sichtweisen zu finden, bzw. zu konstruieren.

Beispiel:

– Angenommen, sie würden dieses Problem mit den Augen von Person X sehen. Welchen Blickwinkel ergäbe sich darauf für sie?….und welche noch?

Die Wunderfrage

Die Wunderfrage zeigt, was der Klient eigentlich will, bzw. was sich im Leben des Klienten verändert, wenn die gewünschte Lösung eingetreten ist.

Es gibt sehr viele Möglichkeiten die Wunderfrage zu stellen. Beispielsweise in einer Art Märchenerzählung eingebettet, die den Klienten in eine Lösungstrance versetzen soll.

Die Reinform der Frage ist:

Angenommen, es würde über Nacht ein Wunder geschehen und ihr Problem wäre gelöst, wie würden sie das merken?

Nachwort

Die hier beschriebenen Fragetechniken dienen einem groben Überblick. Sie können in vielerlei Hinsicht ergänzt, oder kleinschrittiger dargestellt werden. Für mich ist es wichtig, das Gelernte künftig weiterhin anzuwenden und einen kreativen Umgang damit zu etablieren.

Literaturverzeichnis

Bücher:

Basics der systemischen Strukturaufstellungen von Renate Daimler im Kösel Verlag.
Lexikon des Familienstellens und der Systemischen Aufstellungsarbeit von Pierre Frot im Schirner Verlag.
Systemisches Fragen von  Andreas Patrzek im Springer Gabler Verlag

Internet:
www.coaching-magazin.de Zugriff am 24.01.2018