Coaching und Unterbewusstsein

Wie wir im Coaching das Unbewusste erreichen können

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Einleitung

Das systemische Coaching geht als Grundlage davon aus, dass alle Individuen in verschiedene Systeme eingebunden sind. Von der Familie über den Arbeitsplatz, die Kollegen, den Freundeskreis, die Nachbarn bis hin zur Sportgruppe.

Alle diese Systeme haben mehr oder weniger formelle oder informelle Grenzen, eigene Regularien und sie versuchen grundsätzlich immer eine innere Balance herzustellen. Wichtig ist, dass alle System-Angehörigen in Bezug zueinander stehen und sobald sich eine Person bewegt, sich alle anderen mitbewegen und versuchen, das Gleichgewicht wiederherzustellen.

Eine weitere wichtige Grundlage für das Coaching ist der „Konstruktivismus”.

Jedes Individuum hat seine eigene Sicht auf die (subjektiv vermeintlich wirkliche) Welt – geprägt von persönlichen Erfahrungen, Werten, Regeln, Talenten, Glaubenssätzen und so weiter.

Jeder Mensch erzeugt so fortwährend seine subjektive Realität, die stark von seiner individuellen Prägung abhängig ist.

Systemisch zu arbeiten und zu coachen bedeutet also, dass Coaches die Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Elemente und deren Zusammenwirken innerhalb der Systeme der Klienten legen müssen.

Zudem gilt es die „Insel”, die „Landkarte” – die individuell konstruierte Welt – der Klienten kennenzulernen, zu erkunden und zu verstehen.

Hierbei ist es ein wesentlicher Bestandteil eines gelingenden Coachingprozesses, dass der Coach eine Haltung von Offenheit und Neugier für die Wertesysteme, Sichtweisen und Wirklichkeitskonstruktionen des Coachees mitbringt.

Des Weiteren muss er stets darauf achten, nicht seine eigene „Insel”, seine eigenen Konstruktionen mit in den Coachingprozess einzuspeisen, sondern neutral zu bleiben (vgl. Skript Inkonstellation, Kapitel 1 u. 5).

Ein weiterer wichtiger Aspekt eines gewinnbringenden Coachings kann (je nach Thema und Kliententyp) für den Coachee darin bestehen, sein Anliegen nicht nur kognitiv und rational zu betrachten, sondern Zugang zu seinem Unterbewusstsein zu bekommen.

Viele Klienten sind typische „Kopfmenschen” und die Wahrscheinlichkeit, dass sie bereits alle für sie logischen Pro- und Contra-Argumente abgewogen und mehrfach kognitiv durchdacht haben, ist groß.

Offenbar kommen sie jedoch auf diesem herkömmlichen Wege nicht weiter und entscheiden sich deshalb für ein Coaching.

Viele verbinden damit zunächst den Wunsch nach „Impulsen von außen” oder gar „Ratschlägen”, die ihnen der Coach nicht geben wird. Viele Tools und Werkzeuge im Coaching bieten jedoch eine weitere große Chance, bisher ungelöste Themen aus einem anderen Blickwinkel zu bearbeiten – nämlich unter Einbezug des Unterbewusstseins.

Das Unterbewusstsein steuert den überwiegenden Teil menschlicher Entscheidungen und Handlungen. Besonders für nachhaltige Veränderungen ist es sehr effektiv, nicht nur die Ebene des bewussten Verstandes zu adressieren, sondern auch das Unbewusste über vor allem Bilder- oder Körperarbeit in den Fokus zu nehmen.

Genauer gesagt gilt es, Bewusstes und Unbewusstes bzw. irrationales Empfinden möglichst zu synchronisieren.

Entscheidungen, die nicht zwischen diesen beiden Ebenen synchronisiert sind, werden von den meisten Menschen als nicht stimmig erlebt. Es bleibt oft ein diffuses (Bauch-)Gefühl von „nicht damit leben können”, eine „Ahnung” zu haben, dass etwas nicht in Ordnung ist.

Doch meistens lässt sich kaum in Worte fassen, worum es geht, wir empfinden oft nur ein unangenehmes Gefühl und merken, dass wir mit bewussten Überlegungen nicht weiterkommen.

Durch die gezielte Bewusstmachung von unbewussten Wünschen, Bedürfnissen und Prägungen erhalten Menschen wertvolle Hinweise für ihre Entscheidungen und Handlungen und können diese besser in Einklang bringen.

Nach Dr. Maja Storch braucht es viel Geschick, um diese beiden Systeme zu koordinieren, damit man ein zufriedenes Leben führen und den größten Teil des Tages die Dinge tun kann, die man wirklich tun will (vgl. Storch, Maja 2011).

Das Gehirn, das Unterbewusstsein und der Körper

Bereits Sigmund Freud, sozusagen der Urvater der Psychoanalyse, hat darauf hingewiesen, dass das Unbewusste großen Einfluss auf menschliche Entscheidungen und somit auch das Handeln insgesamt ausübt.

Die Gehirnforschung bestätigt heutzutage, dass nur ein sehr kleiner Teil dessen, was das Gehirn insgesamt leistet, überhaupt ins Bewusstsein gelangt.

Da das Gehirn ohnehin darauf ausgelegt ist, möglichst energiesparend zu arbeiten, sagt der Hirnforscher Gerhard Roth sogar, dass der Zustand des Bewusstseins aus Sicht des Gehirns tunlichst zu vermeiden und nur im Notfall einzusetzen sei (vgl. Roth, Gerhard 2016).

Daher verlagert das Gehirn auch früher oder später alle Gewohnheiten, vom Zähneputzen bis zum Kuppeln beim Autofahren, und so auch zum Beispiel alte Glaubenssätze oder innere Antreiber, die nicht immer zweckdienlich sind, in das Unterbewusstsein, von dem aus verankerte Handlungen unbewusst, automatisch und energiesparend weiter gesteuert werden („Autopilot”).

Alles, was mit bewusstem, rationalem Denken zu tun hat, findet im Gehirn in der Großhirnrinde (insbesondere präfrontaler Kortex) statt.

Alles, was mit unbewussten Handlungen und Gefühlen zu tun hat, findet unterhalb der Großhirnrinde in verschiedenen Gebieten des Gehirns, vor allem im sogenannten limbischen System, statt. Gerhard Roth nennt den Zusammenschluss dieser Regionen insgesamt das „emotionale Erfahrungsgedächtnis”.

In diesem Erfahrungsgedächtnis werden (bereits pränatal) alle Erfahrungen und alles Wissen in Form von Gefühlen und Körperempfindungen gespeichert. Manches davon ist angeboren, manches später erlernt.

Das limbische System besteht nach Roth aus drei Ebenen (vgl. Roth, Gerhard 2016, Seite 134 u. 335 ff.):

1. Untere limbische Ebene:

Diese Ebene ist überwiegend genetisch oder durch vorgeburtliche Einflüsse bedingt und macht unser Temperament aus. Sie ist durch Erfahrung und Erziehung kaum zu beeinflussen. Hierzu gehören grundlegende Persönlichkeitsmerkmale wie Offenheit-Verschlossenheit, Selbstvertrauen, Kreativität, Vertrauen-Misstrauen, Pünktlichkeit, Ordnungsliebe, Zuverlässigkeit und weitere.

2. Mittlere limbische Ebene:

Ebene der unbewussten emotionalen Konditionierung: Anbindung elementarer Emotionen (Furcht, Freude, Glück, Verachtung, Ekel, Neugierde) an individuelle Lebensumstände. Die hier sitzende Amygdala (Mandelkern) ist auch der Ort unbewusster Wahrnehmung kommunikativer Signale (Blick, Mimik, Gestik, Körperhaltung). Diese Ebene macht zusammen mit der ersten Ebene (Temperament) den Kern unserer Persönlichkeit aus. Dieser Kern entwickelt sich in den ersten Lebensjahren und ist im Jugend- und Erwachsenenalter nur durch starke emotionale oder langanhaltende Einwirkungen veränderbar.

3. Obere limbische Ebene

oder auch Ebene des bewussten emotional-sozialen Lernens: Gewinn- und Erfolgsstreben, Anerkennung-Ruhm, Freundschaft, Liebe, soziale Nähe, Moral, Ethik. Sie entwickelt sich in später Kindheit und Jugend. Sie wird wesentlich durch sozial-emotionale Erfahrungen beeinflusst. Sie ist entsprechend nur sozial-emotional veränderbar. Hier werden zusammen mit den unteren Ebenen grundlegende sozial relevante Persönlichkeitsmerkmale festgelegt wie Machtstreben, Dominanz, Empathie, Verfolgung von Zielen oder Kommunikationsbereitschaft.


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