Beziehung als Wirkfaktor

Abschlussarbeit von Tom Schröder, als PDF lesen


Die Herstellung einer positiven Beziehung zwischen Klient und Coach gehört nach der Expertenbefragung von Heß und Roth (2001) zu den grundlegenden Qualitätsmerkmalen.

Wie Runde (2004, S. 169) beschreibt, ist die Qualität der Beziehung zwischen Coach und Klient für das Ergebnis wesentlich.1

Eine gut funktionierende Arbeitsbeziehung zwischen Coachingnehmer und Coach gilt gemeinhin als entscheidender Faktor, der ein gelingendes, wirksames Coaching ermöglicht.

Marius Neukom, Kathrin Schnell, Brigitte Boothe, sehen in ihrer Studie (Die Arbeitsbeziehung im Coaching – ein Stiefkind der Forschung) Beziehung als den entscheidenden Wirkfaktor beim Coaching. 30 halbstrukturierte Interviews mit Coaching-Verantwortlichen aus Schweizer Großunternehmen werden mittels der qualitativen Inhaltsanalyse untersucht.

Die Hälfte der befragten Experten ist der Ansicht, dass eine gute Arbeitsbeziehung der zentrale (Wirk-)Faktor von Coaching ist.

Ein Drittel erachtet die funktionierende Arbeitsbeziehung als eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen eines Coaching-Prozess.

Diese Stichprobe kann nicht als repräsentativ gelten und genügt auch nicht um wissenschaftlich belegt zu sein – aber die Ergebnisse erscheinen plausibel.

Reflektion

Es erscheint naheliegend, dass die Beziehung bei der Wirkung des Coachings eine grosse Rolle spielt – in dieser Studie wird die Beziehung aber als der wesentlichste Wirkfaktor bezeichnet – über die Hälfte der Befragten sprechen sich dafür aus.

Das überrascht schon und wirft zugleich die Frage auf:

Was sind die Zutaten einer erfolgreichen Arbeitsbeziehung?

Bei einer Stichprobe mit 30 Befragten kann diese Aussage nicht als wissenschaftlich oder empirisch belegt gelten, aber es macht mich neugierig dieses Feld zu erkunden.

Kommunikation – Schlüssel zur Beziehung

Ganz allgemein zeichnet eine Beziehung dadurch aus, dass Handeln, Denken und Fühlen von zwei Personen aufeinander bezogen sind.

Damit ist die Interaktionen zwischen zwei Personen in auf allen Ebenen gemeint. Der Austausch über die eigenen Wünsche und Vorstellungen, Pläne, und Hoffnungen ist die massgebliche Basis für eine Beziehung.

Die Qualität einer Beziehung steht und fällt mit der Qualität der Kommunikation.2

Körpersprache der wesentlichste Teil Kommunikation

Zwischenmenschliche Kommunikation geschieht nicht nur in gesprochener oder geschriebener Sprache, sondern auch non-verbal, durch Mimik und Gestik (Gebärden-unterstützte Kommunikation), durch Tonfall und Rhythmus (vokale Kommunikation), durch Nähe und Berührung oder Distanz.

Eine Studie des US-amerikanischen Psychologieprofessors5) Albert Mehrabian kam zu dem Ergebnis, dass Worte nur zu 7 % für den Gesamteindruck verantwortlich seien, den ein Mensch auf seinen Gesprächspartner mache.

Zu 38% zähle der Tonfall der Stimme und zu 55 % die Körpersprache.

Für eine sinnvolle und effektive Kommunikation müssten alle drei Kommunikationsformen „deckungsgleich“ sein.3

Sabine Mühlisch, Dozentin für non-verbale Kommunikation an der Hochschule Konstanz, spricht von der „Einheit aus Körper, Stimme und Wort“, als welche Menschen einander wahrnehmen.

Es sei „faktisch unmöglich, mit dem Körper zu lügen“.4

Reflektion

Körpersprache unterliegt dem autonomen Nervensystem – also dem Teil den wir untrainiert normalerweise wenig, bis gar nicht beeinflussen können. Es passiert einfach.

„Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Paul Watzlawik)

Wenn der Gesamteindruck eines Menschen zu 55% von der Körpersprache abhängt, muss man sich anschauen, was das bedeutet, weil die Körpersprache zum grössten Teil vom autonomen Nervensystem gesteuert wird – also unwillkürlich passiert.

Daher sagt Samy Molcho, (Österreichs Fachmann für Mimik, Gestik und andere Formen der „nonverbalen Kommunikation“)

Körpersprache ist wie gesprochene Sprache – aber sie kann nicht lügen.

Unser Körper kann sich nicht lange verstellen und verrät unsere Gefühle und was unsere wahren Absichten sind. Ohne unsere Körpersprache wären tägliche soziale Beziehungen nicht möglich.5

Die Wissenschaft geht davon aus, dass bestimmte Basis-Gefühle wie Angst, Furcht, Glück, Trauer, Überraschung und Abscheu bei allen Menschen bestimmte non-verbale Ausdrucksformen hervorrufen.

und weiter:

„So gilt beispielsweise das Stirnrunzeln in so gut wie allen menschlichen Kulturen als Zeichen von Ärger. Das Lächeln wird weltweit als positives Signal und Sympathiezeichen eingesetzt. Auch die Deutung solcher Signale ist universell, sie werden überall verstanden. Es gibt also Körpersignale, die wir alle verstehen und anwenden und solche, die kultur- oder regionalspezifisch sind. Es gibt aber kein Lexikon der Körperreaktionen und ihrer Bedeutung“.6

Beim Empfänger der Botschaft erfolgt die Dekodierung non-verbaler Signale auf vielfältige Weise, bewusst und unbewusst, aufgrund von Wissen oder mithilfe der Spiegelneuronen, durch emphatisches Mitfühlen“.7

Das Auge liefert Informationen über Mimik, Gestik und Körpersprache sowie über Bewegungsmuster, Nähe und Distanz, vegetative Symptome (z.B. Erröten, Schwitzen, Pupillengröße des Gegenübers) und anderes (z.B. Blickkontakt).
Daneben liefert die akustische Wahrnehmung der averbalen Anteile des Sprechens – wie Stimmfärbung, Tonhöhe usw. als Bestandteile der paraverbalen Kommunikation – weitere Informationen“.8

Wenn wir also „nicht nicht kommunizieren können“, kommt vermutlich der „Haltung“ eine grosse Bedeutung zu – sie muss „echt“ sein.

Den vielfältigen Angeboten im Netz nach zu urteilen, kann man wohl den eigenen unbewussten Körperanteil seiner Kommunikation steuern und auch lesen lernen.

Aber wie dem auch sei, der Coach muss sicherlich durch seine Haltung überzeugen und in seinem Wirken authentisch sein.

Die Arbeits-Beziehung ist eine, auf ein Ziel ausgerichtete Beziehung

Bei einer Arbeitsbeziehung handelt sich um eine besondere Art der Beziehung, die durch einen Zweck, einer Zielerreichung, bestimmt ist.

In dieser spielen die Beziehungsaufnahme, -gestaltung und -beendigung zwischen Coachingnehmer und Coach eine zentrale Rolle.

In fast allen einschlägigen Lehrbüchern, sowie in einigen Studien finden sich Hinweise zum Wesen und zur Bedeutung der Arbeitsbeziehung im Coaching. Lippmann (2006 ) bezeichnet eine „tragfähige, kooperative, für beide Seiten sinnhafte und ‚zieldienlich‘ erlebte Beratungsbeziehung“ als „Basis“ des Coachings.

Die Grundform der Arbeitsbeziehung definiert er als „die Begegnung und der Dialog mit dem Ziel, eine sinnhafte, zweckdienliche Kooperation (…) aufzubauen und zu gestalten.“ 9

Zutaten einer tragfähigen Arbeitsbeziehung

Zu einem tragfähigen und zweckdienlichen Coaching-Prozess gehören Akzeptanz, Vertrauen, Freiwilligkeit (Veränderungsbereitschaft), Einverständnis (Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit), Empathie und Wertschätzung als gegenseitige Bedingungen, die im interaktionellen Raum hergestellt werden (Grimmer und Neukom 2009)10

Der Coach benötigt eine ganze Reihe von Kompetenzen und Eigenschaften, um einen Coaching-Prozess erfolgreich mitzugestalten.

und weiter:

Dazu gehört etwa die Fähigkeit zuzuhören (aktives zuhören) und den Coachingnehmern gegenüber Offenheit und Interesse aufzubringen, sowie die Fähigkeit zur adäquaten Nähe-Distanz-Regulierung und zum Zurückstellen eigener Bedürfnisse.“11


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Quellen bis hierher

1 2011_ University of Zurich_ Marius Neukom, Kathrin Schnell, Brigitte Boothe, Die Arbeitsbeziehung im Coaching ein Stiefkind der Forschung
2 Maximilian Winkler (https://www.beziehungsratgeber.net/beziehung-aufbauen/was-ist-eine-beziehung-definition/)
3 https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6rpersprache, https://de.wikipedia.org/wikiZwischenmenschliche_Kommunikation
4 Sabine Mühlisch: Fragen der Körpersprache: Antworten zur nonverbalen Kommunikation. Junfermann Verlag, 2006, ISBN 3-87387-662-0
5 https://www.athenas.de/referent/prof-samy-molcho/
6 Julia Lohrmann und Anette Kiefer_ https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/kommunikation/koerpersprache
7 G. Rizzolatti: Empathie und Spiegelneurone. Die biologische Basis des Mitgefühls. Suhrkamp Verlag, FFM 2008
8 https://de.wikipedia.org/wiki/Nonverbale_KommunikationLippmann, e. (2006). grundlagen. in e. Lippmann (Hrsg.), Coaching. Angewandte Psychologie für die Beratungspraxis (S. 11–46). Heidelberg: Springer.
10 Grimmer, b., & Neukom, M. (2009). Coaching und Psychotherapie. Gemeinsamkeiten und Unterschiede; Abgrenzung oder Integration? Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
11 2011_ University of Zurich_ Marius Neukom, Kathrin Schnell, Brigitte Boothe, Die Arbeitsbeziehung im Coaching ein Stiefkind der Forschung