Überprüfung der Anwendbarkeit von systemischem Coaching

im Alltag einer Führungskraft

Abschlussarbeit von Melanie Bließen, als PDF lesen


Einleitung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage

inwieweit systemisches Coaching ein sinnvolles Instrument für Führungskräfte im Führungsalltag sein kann oder wo die Limitationen hierbei liegen.

Dabei erhebt der Verfasser keineswegs den Anspruch, die eigene Beurteilung sei vollumfänglich auf alle Führungsumfelder übertragbar, sondern betrachtet dies lediglich aus der Erfahrung als Berater von Führungskräften, sowie aus der eigenen Führungserfahrung in Matrixorganisationen.

Der Fokus aller Betrachtungen dieser Arbeit liegt dabei auf Führungskräften in internationalen Unternehmen in der freien Wirtschaft, daher könnte das Urteil für andere Umfelder durchaus anders ausfallen.

Was ist systemisches Coaching?

Coaching

Coaching kommt aus dem englischen und bedeutet übersetzt erst einmal soviel wie „Unterstützung“. Im allgemeinen Kontext steht Coaching für unterschiedliche Beratungsmethoden und Varianten für verschiedene Ziele, Personen und Gruppen, wie z. B. Einzelcoachings von Führungskräften oder Mitarbeitern, Team-Coachings und Projekt Coachings.1

Als bildliche Unterstützung bietet sich auch die Herleitung über die direkte Übersetzung an – Coach, lässt sich übersetzen mit „Kutsche“ (Wortursprung ungarisch). So kann man sich ein Coaching vielleicht auch vorstellen wie eine Kutschfahrt, in der der Coachee der Fahrgast ist und eine Dienstleistung in Anspruch nimmt.

Der Coach ist der Kutscher, der dem Coachee hilft, von A nach B zu kommen.2

Wichtig ist, dass Coaching nicht als „Heilmittel“ verstanden werden kann. Es sollte also nicht für die Heilung oder Therapie psychischer Erkrankungen in Erwägung gezogen werden.

Vielmehr kommt Coaching immer dann in Frage, wenn es um Felder geht, in denen der Klient eine grundsätzliche Handlungsfähigkeit besitzt.

Als Richtschnur kann hier zBsp die Selbstmanagementfähigkeit heran gezogen werden, welche sich nach Nina Meyer3 vor allem durch Selbstständigkeit, Veränderungsbereitschaft und die Handlungsfähigkeit des Klienten bestimmt, seinem Ziel näher zu kommen.

Selbstständigkeit bedeutet hier, dass der Klient selbstbestimmt seine eigenen Ideen und Wünsche erkennen möchte, er fordert keine Lösung und macht nicht den Coach für seine Thematik verantwortlich.

Veränderungsbereitschaft bezieht sich hier maßgeblich auf Selbstreflektion und Transparenz des Klienten, er weiß um Defizite, will sich weiterentwickeln und aktiv arbeiten.

Handlungsfähigkeit bemisst sich daran, dass der Klient sein Ziel benennen und auch von sich aus erreichen kann, er denkt sich in andere Perspektiven und es zeigt sich eine gewisse Entwicklung, der Klient fällt nicht wiederholt zurück zum Ausgangspunkt seiner Thematik.

System/ Systemisch

Im Zusammenhang mit „Systemischem Coaching“ werden unter System alle Elemente einer Einheit verstanden, die in einer Abhängigkeit zueinander stehen und sich gegenseitig beeinflussen.

Die systemische Perspektive ist immer bestrebt alle Elemente in einem bestehendem System zu betrachten und Abhängigkeiten bzw. Einfluss der Elemente aufeinander sichtbar zu machen.

Da es hier vornehmlich um systemisches Coaching im Unternehmenskontext gehen soll, im Folgenden einmal beispielhaft welche Elemente im Unternehmenssystem hauptsächlich agieren:4

Prinzipien des systemischen Coachings

Grundsätzlich geht man im systemischen Coaching von einem konstruktivistischem Weltbild aus.

Dies spiegelt sich in der Arbeit zwischen Coach und Coachee insofern wider, das der Coache davon ausgeht, hinter jedem Handeln des Klienten steckt eine gute Absicht.

Die Wirklichkeit des Klienten ergibt immer einen Sinn, mindestens aus Sicht des Klienten, aus Sicht des Coaches ist diese wertfrei zu erfragen.

Der Coach bewertet weder die Sichtweise noch das Verhalten des Klienten, er geht davon aus, dass es sich um eine Lösungsstrategie handelt, die der Klient bisher angewendet hat um Bedürfnisse und Erwartungen zu erfüllen.

Der Coach fördert Respekt und Vertrauen in der Coach Coachee Beziehung.

Der Coach begegnet mit einer „Ich bin OK – Du bist OK“ Haltung und fördert diese auch in der Wahrnehmung des Klienten.

Dies unterstützt den Coachee darin, eine konstruktivistische Haltung einzunehmen, erleichtert aber auch Transparenz zwischen Coach und Coachee, da der Coachee mit dem Wissen „ich werde akzeptiert so wie ich bin“ keine Verschleierungstaktik für angenommene „Schwächen oder Fehlverhalten“ anwenden muss.

Das systemische Coaching geht überdies davon aus, dass in Systemen keine Kausalität sondern immer eine Wechselseitigkeit besteht.

Dies bedeutet, dass in einem System nicht immer klar zwischen Ursache und Wirkung differenziert, bzw. keine lineare Ursache- Wirkung Kausalität abgeleitet werden kann.

Die Elemente im System beeinflussen sich gegenseitig und unabhängig, dh es ist nicht so einfach EINEN Schuldigen oder EINE Ursache im System zu finden.

Vielmehr geht es darum, die unterschiedlichen Kommunikation-, Wahrnehmungs- und Interpretationsstrukturen zu veranschaulichen und Veränderungen hierin anzustoßen.5

Des Weiteren geht der systemische Ansatz davon aus, dass Menschen alles haben um sich aus Problemsituationen zu befreien, vor allem, da im System oft schon kleine Veränderungen einen großen Veränderungsprozess anstoßen können.

Als letztes, sicherlich auch kritisches Prinzip des Coachings ist garantierte Verschwiegenheit.

Es muss Sicherheit für den Klienten geben, dass mit seinem Coach geteilte Thematiken, strikt im besprochenen Umfeld bleiben.

Rollen

Coach

Der Begriff Coach wurde bereits im 19. Jahrhundert an Universitäten im angloamerikanischen Raum für Personen verwendet, die Studenten auf Prüfungen und sportliche Wettbewerbe vorbereitet haben.

Populär wurde das Coaching jedoch erst durch seine Bedeutung im Hochleistungssport. In den 1970er-Jahren wurde Coaching in den USA, als entwicklungsorientiertes Führen (Führung) von Mitarbeitern durch den Vorgesetzten, aus dem Sportbereich als so genanntes Business-Coaching in Organisationen transferiert.6

Die Rolle des Coaches im systemischen Umfeld wird gekennzeichnet von einer systemunabhängigen Position, denn nur von dort ist eine Betrachtung des Klientensystems mit größtmöglicher Objektivität möglich.

Der Coach ist, wie oben im Bild der Kutschfahrt angedeutet, nicht dafür verantwortlich dass der Coachee sein Ziel erreicht, er ist lediglich ein Vehikel, gibt dem Coachee in der Fahrt Richtungshilfen, jedoch muss der Coachee selber seinen Weg „gehen“.

Für den größtmöglichen Erfolg, sollte beim Coach keine Abhängigkeit zum Erfolg oder Misserfolg des Coachees bestehen.

Ebenso ist der Coach kein Experte für die Themen des Coachees, er trägt lediglich die Prozessverantwortung.

Der Coach muss zu jeder Zeit neutral bzw. allparteilich sein und somit alle Sichtweisen und Perspektiven, welche er aus dem System des Klienten wahrnimmt, wertschätzen.

Coachee

Der Coachee oder auch Klient ist in der Konstellation des Coachings der „Lösungssuchende“.

Er nutzt den Coach zur Verbesserung seiner Selbstwirksamkeit indem er eine bestimmte Thematik mitbringt und mit dem Willen, diese zu lösen, aktiv zum Lösungsprozess beisteuert.

Der Coachee ist im Prozess immer auch der Part, der entscheidet ob Angebote des Coaches in seinem System Sinn machen und zur Lösung beitragen könnten.

Der Coachee ist der Experte seiner selbst, er wird durch den Prozess zur Reflexion, Perspektivenerweiterung und Selbsterfahrung geführt, er muss jedoch eine Lösung entwickeln und die Verantwortung für die Erreichung seines Ziels übernehmen.7

Anwendungsgebiete

Es gibt eine Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten für Coaching und, schaut man sich den Markt an, eine Vielzahl an Coaches:

Life- Coach, Ernährungscoach, Marketing- Coach, Verkaufscoach, Bewerbungscoaching, Gesundheitscoaching und so weiter.

Bleiben wir im Unternehmenskontext stehen vornehmlich folgende Themen im Fokus von Coachings:

– Begleitung von beruflichen Veränderungen

– Führungskräfteentwicklung

– Vision- und Strategieentwicklung

– Teamentwicklung

– Konflikt und Problemlösungen


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1  https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/coaching/
2 Vgl In-Konstellation Handout S. 30
3 www.ninameier.de/coaching
4 Vgl. Junglebook of Leadership, Ruth Seliger, S. 27 ff
5 Vgl. In-Konstellation S. 26 ff.
6 Vgl. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/coaching/
7 Vgl In-Konstellation Handout S. 26