Auseinandersetzung mit eigenem Lehrerleitbild

auf Grundlage der Ausbildung zum Systemischen Coach

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Einleitung

In dieser Abschlussarbeit soll es grundsätzlich darum gehen, mein Lehrerleitbild, welches ich in der ersten Version zu Beginn meines Referendariats erstellt und mit der Zeit immer wieder hinterfragt habe, erneut zu reflektieren unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Situation:

meiner Ausbildung zum Systemischen Coach.

Die Ausbildung zum Systemischen Coach bietet eine hervorragende Möglichkeit, erneut inne zu halten, die eigene Haltung als Lehrerin zu überdenken und einen erneuten Blick auf mein eigenes Lehrerleitbild zu werfen.

In der Coaching Ausbildung hat man so viel Neues und Bereicherndes erfahren, sich mit sich selbst und Systemen auseinandergesetzt, sich persönlich weiterentwickelt, sodass es sicherlich fruchtbar ist, mit der neu erworbenen Haltung einen Blick auf mein Selbstverständnis als Lehrerin zu werfen und zu überprüfen, inwieweit ich bereits systemische Ansätze in meinem Selbstverständnis verankert habe und an welchen Stellen ich die systemische Haltung noch stärker integrieren kann.

Mein Ansatz macht bereits deutlich, dass diese Arbeit nicht den Standards einer wissenschaftlichen Arbeit entspricht und auch nicht als solche verstanden werden möchte.

Es geht viel mehr um eine persönliche Auseinandersetzung mit dem, was mich in den letzten Monaten an Input erreicht und bewegt hat, und soll ein erster gedanklicher Versuch sein, das Thema Coaching im schulischen Bildungssystem zu betrachten und vielleicht auch an der einen oder anderen Stelle zu etablieren.

Persönliches Lehrerleitbild

Im Folgenden stelle ich mein persönliches Lehrerleitbild vor, dass ich zu Beginn meines Referendariats formuliert habe.

Dieses Lehrerleitbild habe ich zu unterschiedlichen Zeitpunkten meiner Ausbildung und meines Lehrerdaseins reflektiert, erweitert oder einzelne Aspekte revidiert.

Ausgangsversion

Mein Lehrerleitbild ergibt sich vor allem aus meinem persönlichen Werdegang und meiner Sozialisation.

Wichtig für mich ist, die Schülerinnen und Schüler in ihren sozialen Kompetenzen zu stärken und diese weiterzuentwickeln. Hierbei steht an erster Stelle der gegenseitige Respekt, sowohl bezüglich der Lehrer-Schüler-Beziehung als auch der Schüler-Schüler-Beziehung.

Die Schülerinnen und Schüler sollen die Möglichkeit erhalten, ihren Unterrichtsalltag in einer Atmosphäre zu verbringen, die einerseits lernförderlich und motivierend ist, die andererseits aber auch von einem guten und sozialen Miteinander geprägt ist.

Darüber hinaus spielt m.E. der Begriff der Gerechtigkeit eine große Rolle.

Alle Schülerinnen und Schüler haben das Recht, dass ihnen dasselbe Maß an Gerechtigkeit zukommt. Oser definiert Gerechtigkeit als ein Verteilungsprinzip für die im Unterricht immer knappen Ressourcen Liebe, Wahrheit und Zeit1.

Das bedeutet für mich und meine unterrichtliche Praxis, dass ich mich ständig reflektieren und kritisch hinterfragen sollte, ob ich jeden Schüler und jede Schülerin gerecht bewerte und beurteile und allen die gleichen Chancen zur Verfügung stelle.

Damit alle Schülerinnen und Schüler die gleiche Chance erhalten, sich weiter zu entwickeln, ist es notwendig, auf jeden einzelnen Schüler/ einzelne Schülerin individuell einzugehen und diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu fördern und zu fordern.

Um den Schülerinnen und Schülern soziale Kompetenzen, Werte und Normen näher zu bringen, ist es für mich unerlässlich, dabei selbst als Vorbild zu fungieren.

Neben den bereits oben genannten Aspekten kommen des Weiteren Aspekte wie Pünktlichkeit, Offenheit und Ehrlichkeit hinzu, die ich, um vor- bildhaft zu sein, von mir selbst erwarte und einfordere, die ich im Gegenzug auch von meinen Schülerinnen und Schüler verlange.

Die Schülerinnen und Schüler in ihren Ideen, Gedanken, Träumen und Ängsten ernst zu nehmen, unabhängig von der Jahrgangsstufe, und sie in eine Selbstständigkeit zu begleiten, ist für mich Grundlage meiner unterrichtlichen Praxis.

Erste Reflexion

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Aussagen über mein Lehrerleitbild zu Beginn meines Referendariats für mich immer noch grundlegend und richtungweisend sind.

Ich durfte aber feststellen, welche zentrale Bedeutung die Diagnose und die individuelle Förderung für meine unterrichtliche Planung und für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler hat. Nur auf Grundlage einer geeigneten Diagnose lässt sich der Lernprozess der Schülerinnen und Schüler und somit zum Beispiel auch Unterrichtsreihen sinnvoll planen und anlegen.

Hieraus resultiert für mich, dass die Erhebung des Lernstandes zu Beginn einer Unterrichtsreihe notwendig ist.

Zweite Reflexion

Nach weiteren unterrichtlichen Erfahrungen merke ich, dass ich zwischen der Sekundarstufe I und II differenzieren muss und dass sich meine Aussagen bezüglich des Lehrerleitbildes hauptsächlich auf den Unterricht in der Sekundarstufe I beziehen.

Natürlich ist es auch in der Oberstufe wichtig, weiterhin die Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler zu fördern, für ein gutes Miteinander innerhalb der Lerngruppen zu sorgen, Vorbild zu sein und Aspekte wie Pünktlichkeit, Ehrlichkeit und Offenheit einzufordern.

Jedoch geschieht dies in einem anderen Maß als in der Sekundarstufe II, was u.a. auf das Alter und den Entwicklungsstand der Schülerinnen und Schüler zurückzuführen ist.

Der Unterricht in der Oberstufe hat mir gezeigt, dass es in diesem Alter immens wichtig ist, den Schülerinnen und Schülern angesichts der Pluralität Orientierung zu geben und sie in ihrer Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen.

Es geht darum, die Schülerinnen und Schüler immer wieder dazu aufzufordern, sich selbst zu positionieren, um dadurch ihren Meinungsbildungsprozess zu unterstützen.

Diese Punkte kommen bereits ansatzweise auch im Unterricht der Sekundarstufe I zum Tragen und führen dazu, dass eine intensive Auseinandersetzung in der Sekundarstufe II möglich ist.

Kritische Reflexion – zum Ende der Ausbildung zum Systemischen Coach

Es ist wirklich spannend, sich nun erneut mit dem Lehrerleitbild auseinanderzusetzen und zu lesen, was ganz zu Beginn der Lehrerausbildung und im Laufe der Zeit formuliert, verändert bzw. ergänzt wurde.

Wenn ich nun einen Blick mit meinem neu erworbenen Wissen, mit meiner systemischen Haltung auf das, was ich formuliert habe, werfe, stelle ich fest, dass ich schon zu Beginn meiner Lehrerausbildung systemische Gedanken bzw. eine systemische Grundhaltung entwickelt habe, ohne bewusst zu wissen, dass das bereits systemische Ansätze sind.

So schreibe ich zum Beispiel in meiner ersten Version, dass es mir wichtig ist, individuell auf die Schüler*innen einzugehen und diese entsprechend zu fordern und zu fördern.

Darüber hinaus stelle ich fest, dass es Grundlage meiner unterrichtlichen Praxis ist, die Schüler*innen in ihren Ideen, Gedanken, Träumen und Ängsten ernst zu nehmen.

Das, was ich damals so formuliert habe, würde ich heute der Grundhaltung des Konstruktivismus zuordnen.

Jeder Mensch hat und erlebt seine eigene Wirklichkeit.

Diesen Gedanken anzunehmen und zu respektieren, ist Grundsatz im systemischen Coaching.

In meiner ersten Reflexion stelle ich fest, wie unverzichtbar es ist, zu Beginn einer Unterrichtseinheit die Lernausgangslage der Schüler*innen zu diagnostizieren, um den Unterrichtsprozess entsprechend zu planen und anzulegen, damit er für alle Schüler*innen gewinnbringend ist.

Beim erneuten Lesen durch die systemische Brille fällt mir auf, dass es hier bereits um eine Ressourcenorientierung geht, wobei man sicherlich explizit darauf achten sollte, das zu erheben, was der Schüler/ die Schülerin schon kann und mitbringt.

Dennoch ist es im schulischen System unerlässlich daraus abzuleiten, was noch vermittelt und gelernt werden sollte, auch wenn der Fokus auf der Ressource selbst liegen sollte.

In meiner zweiten Reflexion ergänze ich mein Lehrerleitbild durch den Punkt „Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung“, vor allem bei den Schüler*innen in der Oberstufe.

Die Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung ist ein klassischer Bereich im Coaching.

Hier zeigt sich, welche Relevanz dieser Aspekt auch im schulischen Bereich einnimmt.

Auch wenn im unterrichtlichen Kontext sicherlich kein klassisches Persönlichkeitscoaching stattfindet, so werde ich mir gerade klar darüber, dass ich durch Unterrichtsinhalte, durch Diskussionen und durch Meinungsbildungprozesse, in denen die Schüler*innen mit sich selbst und mit der Wirklichkeit anderer konfrontiert werden, einen Teil dazu beitrage.

Bis heute ist es so, dass der aller erste Punkt, den ich in meiner ersten Version des Lehrerleitbildes formuliert habe, Basis meiner schulischen Tätigkeit ist: gegenseitiger Respekt.


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Quellen bis hierher

1 Zitiert nach: Meyer, Hilbert: Was ist guter Unterricht? 6.Auflage, Berlin 2009, S. 48.