Antifragilität

Resilienz weitergedacht

Abschlussarbeit von David Sändker, als PDF lesen


Einleitung

„Wie kann man Innovationen anstoßen? Man sollte zusehen, dass man sich in Schwierigkeiten bringt …, dass sich Innovation und Zuwachs aus Notsituationen ergeben und zwar in dem Ausmaß, dass die Aufhebung der Notsituation bei weitem übersteigt.“ 1

Diese Arbeit widmet sich dem von Nassim Nicolas Taleb geborenen Begriff der „Antifragilität“, der damit möglichen Arbeit im systemischen Coaching, sowie der entsprechenden Positionierung als Coach im Markt.

„Schwierigkeiten wecken das Genie“ Nassim Nicolas Taleb

Viele Erfolgsstorys von besonderen Persönlichkeiten, sowie auch medial unbekannten Menschen, haben ihren Ursprung in einem Schicksalsschlag oder einer besonders schwierigen Situation. Bekanntestes Beispiel dürfte der Coach, Speaker und mehrfache Bestsellerautor Anthony Robbins sein. Ob Insolvenz, Scheidung, schwere Erkrankung – jedes Mal entwarf Robbins aus seinen persönlichen Erlebnissen ein Seminar und verkaufte seine Erfahrung und den Umgang damit für Millionen, er wird heute auf eine halbe Milliarde US-$ Vermögen geschätzt.

Der Autor dieser Arbeit „durfte“ eine dieser Erfahrungen bereits selbst machen, als eine schwere Erkrankung sein bisheriges Leben komplett über den Haufen warf.

Die gewonnenen Erkenntnisse und Umstellungen jedoch haben einen weitaus besseren Status Quo ermöglicht als den Zustand vor der Erkrankung.

Die Idee soll selbstverständlich nicht sein, die Warnungen des Lebens so lange zu ignorieren bis z.B. einer der o.g. Schicksalsschläge eintritt – sondern bestenfalls wird eine „Notsituation“ absichtlich herbeigeführt, per Coaching begleitet und in einen Zustand überführt, der vom Coachee als Bereicherung und Verbesserung empfunden wird.

Definition Antifragilität

Häufig begegnet uns im systemischen Coaching der Begriff der Resilienz. Resilienz oder Widerstandsfähigkeit erhält durch Robustheit den Status Quo.

Antifragilität ist das Gegenteil von Fragilität, nicht der neutrale Zustand in Form von Resilienz oder Robustheit.

FRAGIL – ROBUST – ANTIFRAGIL

Bereits im antiken Griechenland gab es den Mythos der Hydra – ein mehr als mannshohes Fabelwesen mit mehreren schlangenähnlichen Köpfen. Die Hydra dient als perfektes Beispiel für Antifragilität. Schlug man ihr einen Kopf ab, wuchsen umgehend zwei Neue nach.

Wäre die Hydra nur robust oder resilient, wäre ein Abtrennen des Kopfes die Schwierigkeit, sie würde sich durch den Angriff oder den externen Stressor aber nicht verbessern.

Ebenfalls aus der Antike bis in den heutigen Sprachgebrauch geschafft hat es der Ausdruck „was Dich nicht umbringt, macht Dich stärker“. Auch hier geht es um die Eigenschaft, dass die betroffene Person die Situation nicht nur überwunden hat, sondern sogar gestärkt aus ihr hervorgeht.

Insbesondere die Natur ist nicht robust oder resilient, sondern antifragil – Anpassungsfähigkeit setzt sich durch, nicht Linearität.

Fragilität & Antifragilität im Alltag

A ) Während der Erstellung dieser Arbeit im Juli 2022 begleitet uns der Russland-Ukraine-Konflikt. Die dadurch betroffene Gasversorgung in Europa und insbesondere in Deutschland ist ein gutes Beispiel für selbstverursachte Fragilität. Die stark einseitige Energieversorgung zugunsten einer Erdgaslösung macht hier ganze Volkswirtschaften erpressbar und fragil. Es wird spannend sein, ob die Bewältigung der Krise hier zur Resilienz, besser sogar zu einer antifragilen Lösung führt. Das Ergebnis müsste dafür eine unabhängige ökologische Energieerzeugung sein – die wg. Linearität und Stabilität in den Jahrzehnten zuvor verschlafen wurde. Linearität suggeriert Sicherheit, hier zu Lasten der Umwelt. Antifragil wäre diese Lösung dann, wenn sie zeitgleich die Zerstörung von Natur und Umwelt stoppen oder sogar umkehren würde. Offensichtlich bedurfte es erst einer extremen Krise und Versorgungsengpässen, um die entstandenen Fehlentwicklungen ernsthaft zu überdenken.

B ) Unser Körper besteht zu ca. 30-40 % (Frauen) und 40-60 % (Männer) aus Muskeln. Das besondere an Muskeln ist, dass diese antifragil auf Belastung reagieren. Muskelwachstum entsteht in Vorbereitung bzw. der Annahme des Körpers, dass er die bereits erreichte Leistung beim nächsten Mal übertreffen muss, und bereitet sich entsprechend darauf vor. Den Körper keiner Belastung bzw. Stressoren auszusetzen führt hingegen sogar zu Muskelschwund, da unsere Gene und Zellen annehmen, dass diese Leistung zukünftig nicht mehr benötigt wird. Knochen haben zudem die Besonderheit, dichter und stabiler zu werden, je mehr sie belastet sind.

C ) Freie Kapitalmärkte und Kapitalströme sind langfristig antifragil, ähnlich der Natur (s. Definition unter Punkt 2.). Ein Börsencrash ist historisch gesehen immer ein bereinigendes Gewitter gewesen. Viele Unternehmen verlieren Kapital oder gehen sogar in die Insolvenz. Es überleben die Projekte, die effizient und tatsächliche dienlich für die Mehrheit der Menschen sind – dorthin fließen verstärkt Kapital und Ressourcen (z.B. auch Mitarbeiter). „Unternehmen die nicht zweckdienlich sind, werden früher oder später vom Markt verschwinden und ihre Ressourcen anderen zur Verfügung stellen.“2

Antifragilität im systemischen Coaching

Fehler und Katastrophen führen zu Verbesserungen der Systeme bzw. Verhaltensweisen.

– Fehler sind Feedback, und Feedback ist eine Ressource.

Systemischen Coaching kann diese Ressource heben und helfen, dieses neue Level als normal zu etablieren, so dass es vom Coachee bei Bedarf jederzeit abrufbar wird.


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Quellen bis hierher
Nassim Nicolas Taleb – Antifragilität, S. 71
Dr. Pero Mićić – Vorstandsvorsitzender FutureManagementGroup AG