Eine Reflexion zur Bedeutung der Sprache im Coaching
Abschlussarbeit von Elke Noack, als PDF lesen
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. (Joh 1,1-3)Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. (Gen 1,1-3)
Das Wort ist schöpferische Kraft. Der Mensch – und die ganze Schöpfung – ist durch Gottes Wort ins Werden gerufen, und wir haben gleichermaßen die Freiheit bekommen mit der schöpferischen Kraft der Worte unsere Wirklichkeit zu gestalten.
Worte können verletzen, Worte können trösten. Worte können inspirieren. Worte können vernichten. Worte können aufbauen. Worte können heilen. Worte können alles zerstören und alles erschaffen. Worte enthalten ein ganzes Universum an Möglichkeiten.
Worte und Sprache sind das zentrale Medium zur Etablierung einer vermeintlich gemeinsamen „Realität“ und Grundlage unsere Interaktionen mit unserer Umwelt, aber auch mit uns selbst.
Bereits kleine Kinder beginnen, nachdem sie Sprache erlernt haben, nicht nur mit anderen, sondern auch mit sich selbst zu kommunizieren. Beobachtet man ein kleines Kind beim spielen, hört man es oft mit sich selbst sprechen. Sie sprechen ihre Denkprozesse laut aus. Später werden diese Gespräche meist verinnerlicht, sie werden zur inneren Stimme.
Wir alle sprechen – mehr oder weniger bewusst – mit uns und mit unseren Mitmenschen und teilen damit viel über uns und unsere unterbewussten Prozesse mit. Vor allem definieren wir uns über unsere Sprache und gestalten damit sogar unser Leben.
„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“
Ludwig Wittgenstein
Grundlagen
Wie können wir mit unserer Sprache unser Leben gestalten?
Um dies zu erklären, sind einige Phänomene zu erläutern, die in unserem Unterbewusstsein tätig und heute wissenschaftlich belegt sind:
∘ Filter (RAS = retikuläres Aktivierungssystem)
∘ Deutungsrahmen (frames)
∘ Glaubenssätze (beliefs)
∘ Bestätigungsfehler (confirmation bias)
Filter
Das RAS ist ein Netzwerk von Neuronen oder einfach ausgedrückt, steht es für unsere inneren Filter (neurologische, soziale oder kulturelle und individuelle Filter).
Unser Gehirn wäre überlastet mit der Aufgabe, die Vielzahl von Eindrücken und Informationen, die in jeder Sekunde über unsere Sinneskanäle auf uns einströmen, bewusst wahrzunehmen. Um dies zu vermeiden, wird das RAS aktiv und filtert aus den Eindrücken einige wenige heraus. Es lässt nur drei Arten von Informationen hindurch. Erstens Informationen, die als lebenswichtig einstuft werden, zweitens neue Informationen und drittens Informationen, die z.B. spannend oder lustig sind, also mit einer Emotion verknüpft sind.
Deutungsrahmen
Aus der Kognitionswissenschaft ist bekannt, dass Worte und der damit verknüpfte Sinn bzw. die Summe an Lebenserfahrungen in unserem Gehirn als Deutungsrahmen (frames) abgespeichert sind. Dieser Rahmen umfasst, was wir mit unseren Sinnen wahrgenommen oder als Wissen aufgenommen und zu einem einzelnen Wort gespeichert haben – eine Fülle an Gedanken, Assoziationen, Bildern, Geräuschen, haptischen Erlebnissen, Gerüchen, Geschmackswahrnehmungen oder Gefühlen.
Wissenschaftliche Versuche haben gezeigt, dass Worte nicht nur die Aktivierung unterschiedlicher individueller Deutungsrahmen beeinflussen, sondern auch direkten Einfluss auf unser Handeln haben.
So wurde festgestellt, dass Probanden, die mit aggressiven und negativen Worten in einem Text konfrontiert wurden, weitaus aggressiver, auf eine kurz darauf folgende Situation, regierten. Die Reaktion der Vergleichsgruppe hingegen, deren Text friedvoller und positiver formuliert war, reagierten viel später und entspannter.
Dies hängt damit zusammen, dass unser Gehirn nicht unterscheiden kann, ob etwas real erlebt wird oder durch Gedanken erzeugt wird. Im Körper werden die gleichen biochemischen Prozesse angestoßen.
Schauen wir einen traurigen Film, erleben wir die Handlung nicht selbst, sind aber oftmals selbst traurig, und manche von uns weinen sogar.
Glaubenssätze
Glaubenssätze, sind sprachlicher Ausdruck, von mit emotionaler Ladung verbundenen Überzeugungen, Einstellungen und Meinungen, die wir glauben oder als wahr erachten.
Es sind unterbewusste Lebensregeln, die aus der Bewertung von Erlebnisse entstanden sind.
Betätigungsfehler
Das RAS bestimmt, worauf unsere Aufmerksamkeit gelenkt wird, und es ist darauf bedacht, unsere Glaubenssätze zu beweisen. Es wird nur Informationen ins Bewusstsein lassen, die dem entsprechen, was wir uns sagen. Es versucht stets Beweise für unsere Glaubenssätze zu finden.
Dieser Fehler in der Wahrnehmung wird, in Kognitionspsychologie, als Bestätigungsfehler, bezeichnet. Es ist die Neigung, Informationen so auszuwählen und zu interpretieren, dass die eigenen Erwartungen erfüllt werden.
Was wir uns sagen – unsere WORTE – sind somit enorm wichtig, denn wir werden sie glauben und zur Bestimmung unserer Deutungsrahmen und unserer Filter verwenden und nach Beweisen dafür suchen.
Es stellt sich also immer die Frage: Nutzen wir Worte, die uns Zugang zu unseren Ressourcen ermöglichen und uns stärken? Oder nutzen wir Worte, die uns blockieren und schaden? Erschaffen wir, was sich positiv oder negativ auswirkt?
„Achte auf Deine GEDANKEN, denn sie werden WORTE.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden HANDLUNGEN.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden GEWOHNHEITEN.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein CHARAKTER.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein SCHICKSAL.“(Talmud)
Anwendungen und Beispiele
Was bedeuten diese Erkenntnisse nun für das Coaching?
Veränderungen benötigen ein wohltuendes Vokabular und eine heilsame Sprache, die dabei hilft auch schwere Umstände oder Erlebnisse umzudeuten, neu zu bewerten und den Fokus neu zu setzen. Die kleinsten Details im Vokabular und im Tonfall können schon einen großen Unterschied machen.
Weil Sprache und Worte so machtvoll sind, bedarf es oftmals keiner großen Interventionen oder Werkzeuge, um im Coaching eine Veränderung anzustoßen.
Im Rahmen dieser Hausarbeit möchte ich auf ein paar dieser „kleinen“ oder „einfachen“ Möglichkeiten und Beispiele eingehen und reflektieren, wie sie das Erleben, den Fokus, den Deutungsrahmen und die Filter des Coachee verändern können.
Coaching lässt sich als ein Prozess der Bedeutungsschaffung
durch sprachliche Interaktion verstehen.
(Schröder & Prytula)
Aktives Zuhören
Für mich, in meiner Rolle als Coach, bedeutet „Sprache macht Wirklichkeit“ eine Herausforderung. Zum einen ist es wichtig, dass ich auf der verbalen Ebene des Coachee bleibe, um Vertrauen und Kontakt aufzubauen. Aktives Zuhören, in interessierter und wertschätzender Haltung, ist meine wesentliche Aufgabe, besonders in der Anfangsphase des Coaching. Zum anderen ist es aber auch wichtig, dass ich im weiteren Verlauf des Prozess auch neue Deutungsrahmen anbiete und den Coachee einlade bisherige Bewertungen und Filter zu verändern.
Alles was der Coachee mitteilt und wie er es mitteilt (sowohl verbal als auch non-verbal), nehme ich ohne Wertung auf und gebe es durch Spiegelung (Fokus auf dem Inhalt) oder Dopplung (Fokus auf den Emotionen) wieder.
Indem ich das Gesagte erneut wiedergebe – fast wie ein Echo – baue ich nicht nur Vertrauen auf und vermittle, dass ich zuhöre. Es ermöglicht zudem einen Abgleich zwischen Gesendetem und Empfangenem. Habe ich den Coachee richtig verstanden? Darüber hinaus hört der Coachee erneut, was er gesagt hat und kann dies reflektieren.
Durch pacing (Folgen) kann ich dem Coachee in seine Welt folgen und versuchen, seine Realität genau zu erkunden und sie bestmöglich zu verstehen. Dies gelingt, indem ich z.B. auf verbaler Ebene folge und häufig genutzte Worte, den Sprachstil oder das Repräsentationssystem (VAKOG) des Coachee übernehme.
Beschreibt er seine Welt visuell („ich sehe“, „das zeigt mir“, „es kommt klar rüber, dass“) werde ich diesen Kanal auch nutzen.
Durch einstreuen von positiv belegten Worten, die aber zur Welt des Coachee passen müssen, kann ich ihm einen ersten behutsamen Schritt in eine neue Realität ermöglichen.