Abschlussarbeit von André Belchior, als PDF lesen
Einführung
Das Modell der 5 Säulen der Identität nach Hilarion Petzold besteht aus den 5 Lebenssäulen. Damit wird dem Klienten gezeigt, dass sein Lebensshaus verschiedene Säulen hat und diese verschiedenen Säulen erforderlich sind, damit das Haus stabil stehen kann.3
In der Literatur werden unterschiedliche Bezeichnungen für die Säulen gewählt. Der Begründer Petzold wählt für die Bezeichnung der Säulen 1. Leiblichkeit, 2. Sozialer Kontext, 3. Arbeit und Leistung, 4. Materielle Sicherheit und 5. Werte.4
Hovert hingegen wählt für die Bezeichnung der Säulen
-
- Beruf
(zur Abbildung der Arbeit und Leistung), - Partnerschaft
(zur Abbildung des sozialer Kontextes), - Freunde
(zur Abbildung des sozialer Kontextes), - Gesundheit
(zur Abbildung der Leiblichkeit) und - Freizeit
(zur Abbildung des sozialer Kontextes).
- Beruf
Die Benennung der Säulen passt sie je nach Klient und Ausgangslage an.5
Materielle Sicherheit und Werte sind dabei in den anderen Säulen integriert.
Die fünf Stützpfeiler machen in ihrem Zusammenwirken die Identität eines Meschen aus, wobei von Mensch zu Mensch die Schwerpunkte unterschiedlich liegen können.
In so gut wie jeder therapeutischen Begegnung werden die fünf Säulen angesprochen.6
Es empfiehlt sich, die Säulen aufzumahlen und den Klienten selbst einzeichnen zu lassen, wie sie gefüllt sind. Der Grad der Füllung erfolgt in Prozentangaben mit 100% als Maximum und 0% als Minimum.
Wenn mehrere Säulen nicht gefüllt sind, empfiehlt es sich, sich mit dem Klienten zunächst auf eine Säule zu konzentrieren. Sehr entscheidend sind die Wechselwirkungen der Lebensbereiche und damit der Säulen untereinander.
Hat eine Person bspw. ein erfülltes Liebesleben, so kann sie ein wenig erfüllendes Berufsleben leichter verkraften.7
Im Folgenden wird die „klassische Variante“ von Petzold gewählt, um die einzelnen ursprünglichen Säulen mit ihren jeweiligen Inhalten und Möglichkeiten der Erfassung durch den Coach darzustellen.
In der Praxis sind Abwandlungen etwa wie die von Hofert sinnvoll, sodass das Modell auf den Klienten angepasst und ihm gerecht und für ihn leicht verständlich wird.
Das Modell der 5 Säulen der Identität
1. Säule: Leiblichkeit
Bei der Säule der Leiblichkeit geht es im Wesentlichen um den Körper (Leib).
Das Selbst ist ein überwiegend leibliches Phänomen, aus dem sich das Ich und die Identität herausbilden.
Der Körper ist daher für die Identität der tragende Pfeiler.
Identität lässt sich einschränken, disziplinieren und vernichten durch die Bestrafung und Zerstörung des Körpers.
Entfremdungen können sich in verschiedene Bereiche bemerkbar machen:
in der Beziehung des Körpers zu sich selbst,
zum Körper des anderen,
zu den Dingen und
zur Lebenswelt.
Entfremdung von der Leiblichkeit, Abspaltung und Ausbeutung stören die Verankerung in der Welt und damit die Identität.
Der Körper ist heute allgegenwertig: denken wir bspw. an die Werbung, die Mode und die Massenkultur, Hygiene-, Diät und Therapiekult, der Jugendlichkeits Männlichkeits- / Weiblichkeitswahn, die Eleganz-, Pflegebereitschafts- und die Diätbesessenheit.
Zur Erfassung der Säule der Gesundheit können folgende Fragen zu Rande gezogen werden.8
∘ Wieweit fühlt der Klient sich in seiner Haut wohl?
∘ Akzeptiert er seine körperlichen Eigenarten, so wie sie angelegt und sozialisatorisch überformt wurden?
∘ Führt er gegen seinen Leib Krieg, weil ich meinen Ärger nicht herausbringen kann? Mißbrauche ich ihn im Sport, durch Arbeitssucht oder Konsumzwang?
∘ Behandlet er ihn wie eine pleasure machine, aus der er vielleicht noch einen Orgasmus mehr herauspresse?
∘ Versucht er ständig, seine organismischen Rhythmen zu bezwingen?
∘ Betrachtet er ihn als sein „wertvollstes Tauschmaterial“ mit funktioneller Schönheit und instrumentalisierter Erotik?
∘ Zwingt er sich Rollenverkörperungen auf, die ihm zuwider sind, bzw. werden ihm solche Rollen aufgedrängt?
Im Prinzip sind alle Fragen denkbar, die sich mit der Gesundheit, der Annahme, Akzeptanz und Bedürfnisse des eigenen Körpers befassen.
Darunter fallen neben der physichen Verfassung auch die medzinische Gesundheit mit der psychischen Verfassung.
2. Säule: Sozialer Kontext
Die Säule des sozialen Kontextes befasst sich mit der Beziehung zu einer anderen oder mehreren anderen Personen (bspw. Freunde, Kollegen oder dem Partner).
Sie bildet das Umfeld eines Individuums ab. Als Individuum braucht ein Mensch den anderen in einem ganz existentiellen Sinne
Am eindeutigsten ist dies am Anfang des Lebens in der Mutter-Kind-Konfluenz. Im Laufe der lebenslangen Sozialisation tauscht der Mensch sich in interaktiven Prozessen mit seinen Mitmenschen aus. Die Erfahrung des Ich bin ist nicht ohne das Du und das Wir denkbar.
Jeder benötigt für seine Identitätsentwicklung die Identifizierungen der anderen, die er mit Identifikationen belegt.
Identität entwickelt sich in der Interaktion, durch Begegnung und Auseinandersetzung, durch Korrespondenz und Kooperation im sozialen und ökologischen Raum und in der Dimension persönlicher und kollektiver Geschichte.
Der soziale Kontext schreibt einem Menschen bestimmte Rollen zu, die von ihm verkörpert werden und die er mit einer entsprechenden Gruppe teilt. Voraussetzung für ein gesundes Identitätserleben ist ein guter Kontakt zwischen ihm und seinen „Nachbarn“.
Der Begriff Identität beinhaltet Differenzierung und Verbundenheit zugleich, Koexistenz und Individualität, Einheit und Eingebundensein im Kontext.
Ein guter Kontakt stellt eine flexible Handhabung von Abgrenzung und Berührung, Trennung und Verbundenheit sicher.
Eine stabile Ich-Grenze strukturiert einen Menschen sowohl nach innen als auch die Beziehung zu seinen Sozialpartnern.
Ohne Struktur kann sich Identität nicht entwickeln. 9
Mögliche Fragen zur Erfassung der Säule der sozialen Kontextes können sein:
▪ Wie ist der Klient privat vernetzt?
▪ Wie verbringt der Klient gerne seine Freizeit? Hat er Hobbies?
▪ Wie häufig unternimmt der Klient etwas mit anderen?
▪ Wen zählt er zu seinen Freunden?
▪ Wie nahe steht er seinen Freunden? Wie nahe schätzt er ein, dass seine Freunde ihm stehen?
▪ Hat er das Gefühl, dass er seinen Freunden bzw. ausgewählten Freunden sich anvertrauen und auch über seine Herausforderungen, Ängste und Sorgen sprechen kann?
Wann hat er sich das letzte Mal einem Freund anvertraut?
▪ Fühlt er sich geborgen und wohl in seinem Freundeskreis?
▪ Wann hat er das letzte Mal neue Menschen kennengelernt? Hat er Kontakt zu diesen Menschen?
▪ Ist der Klient in einer Partnerschaft? Wenn ja, ist er glücklich in dieser? Fühlt er sich geborgen und respektiert? Hat er ein erfülltes Liebesleben?
Ergibt sich hier ein Bild, bei dem der Klient nicht ausreichend sozialisiert ist, empfiehlt es sich, mit dem Klienten daran zu arbeiten, sein persönliches Netzwerk zu erweitern und damit neue Umfelder zu erschließen.
Diese sind häufig essentiell für eine Partnerschaft. Gerade hier wird die enge Verzahnung mit den anderen Säulen deutlich.
Das Aufmalen der Säulen kann für den Klienten ein Augenöffner sein. Ist ein Klient bspw. sehr auf die Säule Beruf fokussiert und vernachlässigt ggf. auch über mehrere Jahre (unbewusst) die Säulen Freunde und Partnerschaft, mag ihm das eventuell nicht bewusst sein
Hier kann eine Visualisierung seiner Gesamtsituation durch Aufmalen der Säulen dem Klienten helfen, sich dieser bewusst zu werden.10
Quellen bis hierher
3 vgl. Svenja Hofert, Psychologie für Coaches, Berater und Personalentwickler, 2017, Beltz Verlag, S. 165
4 vgl. Helmut Kames, POLYLOGE. Materialien aus der Europäischen Akademie für psychosoziale Gesundheit. Eine Internetzeitschrift für „Integrative Therapie“ (Univ.-Prof. Dr. mult. Hilarion G. Petzold). FPI-Publikationen, Verlag Petzold + Sieper Hückeswagen. Ausgabe 18/2011. Ein Fragebogen zur Erfassung der „Fünf Säulen der Identität“ (FESI), Bonn. S. 5f.
5 vgl. Svenja Hofert, Psychologie für Coaches, Berater und Personalentwickler, 2017, Beltz Verlag, S. 165
6 vgl. Helmut Kames, POLYLOGE. Ausgabe 18/2011. Ein Fragebogen zur Erfassung der „Fünf Säulen der Identität“ (FESI), Bonn. S. 6
7 vgl. Svenja Hofert, Psychologie für Coaches, Berater und Personalentwickler, 2017, Beltz Verlag, S. 165f.
8 vgl. Helmut Kames, POLYLOGE. Ausgabe 18/2011. Ein Fragebogen zur Erfassung der „Fünf Säulen der Identität“ (FESI), Bonn. S. 6f.
9 vgl. Helmut Kames, POLYLOGE. Ausgabe 18/2011. Ein Fragebogen zur Erfassung der „Fünf Säulen der Identität“ (FESI), Bonn. S. 7f.
10 vgl. Svenja Hofert, Psychologie für Coaches, Berater und Personalentwickler, 2017, Beltz Verlag, S. 166f.