Abschlussarbeit von Benjamin Klüger, als PDF lesen
Paul Watzlawick
Paul Watzlawick ist ein bekannter Philosoph, Psychotherapeut, Kommunikationswissenschaftler und Autor.
Er prägte durch seine systemische Betrachtungsweise, beeinflusst durch die Arbeit mit schizophrenen Patienten und Patientinnen sowie deren Familien, nachhaltig das Prinzip der Psycho und Familientherapie.
Weiter hinterließ er bekannte literarische Werke wie “Die Möglichkeit des Andersseins” (1977), die “Anleitung zum Unglücklichsein” (1983) und “Vom Schlechten des Guten” (1986).
Darüber hinaus publizierte er zahlreiche Artikel zu Kommunikationstheorien und der erkenntnistheoretischem Perspektive des Radikalen Konstruktivismus.
Geboren wurde er am 25. Juli 1921 im österreichischen Villach. Ab 1960 arbeitete er am Mental Research Institute in Kalifornien. Im Jahre 1976 erhielt Paul Watzlawick zusätzlich einen Lehrauftrag im Fachbereich Psychotherapie an der Stanford University.
Im Alter von 85 Jahren, am 31. März 2007, verstarb Paul Watzlawick in seiner Wahlheimat Palo Alto, Kalifornien.
Chuang Tzu und Hui Tsu wandelten zusammen auf einem Uferdamm am Hao-Fluss.
Da sagte Chuang Tzu: Sieh doch die Fische herauskommen und sich tummeln. Das ist die Lust der Fische.‹
Hui Tsu erwiderte: ›Du bist doch kein Fisch. Woher willst Du da die Lust der Fische kennen?‹
Chuang Tzu sprach: ›Du bist nicht ich. Woher also weißt Du, dass ich nicht von der Lust der Fische weiß?‹
Hui Tsu entgegnete: ›Ich bin nicht Du und weiß natürlich nicht, was Du weißt. Aber da Du jedenfalls kein Fisch bist, ist doch klar, dass Du die Lust der Fische nicht kennst.‹
Darauf entgegnete Chuang Tzu: ›Lass uns noch einmal auf den Ausgangspunkt zurückkommen. Du fragtest, woher ich die Lust der Fische kenne. Das zeigt, dass Du schon wusstest, dass ich es weiß, als Du mich fragtest. Ich weiß es von meinem Standpunkt auf dem Uferdamm hier oben über dem Hao-Fluss.
Erkenntnistheorie
Kann Chuang-Tzu die Lust der Fische kennen?
Kann Hui Tsu wissen, ob Chuang-Tzu sie kennt?
Und wenn ja, woher kann er das wissen?
Kann es Zweifel an diesen Erkenntnissen und dem gewonnenen Wissen geben?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Epistemologie, also die Erkenntnistheorie, als eine der zentralsten Disziplinen in der Philosophie.
Welche Voraussetzungen, Möglichkeiten und Grenzen hat die menschliche Erkenntnis?
Wann kann man sich einer Sache sicher sein, und kann man Konsens erlangen?
Innerhalb der Erkenntnistheorien gibt es verschiedene Perspektiven zur Beantwortung dieser Fragen. Mehrere Ströme werden zur Begegnung dieser Fragen als konstruktivistische Sichtweise zusammengefasst.
Konstruktivismus
Diese verschiedenen Strömungen im Konstruktivismus teilen im Kern die Annahme, dass jedes Individuum nur eine subjektive Wirklichkeit hat.
Die Perzeption unserer Umwelt ist dabei durch die individuelle Physis und Psyche begrenzt.
Nehmen wir eine Farbe wahr, wie die Farbe Gelb, so sehen wir nicht die eigentliche Farbe.
Retinale Rezeptoren nehmen die Wellenlängen des Lichts, welche durch die gelbe Farbe reflektiert werden, auf und leiten diese zur Weiterverarbeitung in unser Gehirn weiter.
Hier entsteht die Qualia, also der subjektive Eindruck der an phänomenales Bewusstsein geknüpft ist, der Farbe Gelb.
Wir konstruieren also unsere Wahrnehmung der Farbe Gelb.
Ob der zugrundeliegende Prozess und die resultierende Qualia bei verschiedenen Personen oder auch nur zwei Einzelnen annähernd gleich ist, ist andauernder Gegenstand im philosophischen Diskurs.
Dem entgegen steht die Abhängigkeit der Verarbeitungsprozesse von z.B. Aufmerksamkeitsprozessen und verfügbaren Ressourcen.
Hierauf aufbauend müssen wir immer die eigene Realität anzweifeln und berücksichtigen, dass sie verschieden von der unseres Gegenübers sein kann.
Aufbauend auf die Grundabnahme der Konstruktion der eigenen Welt, gibt es mehrere Varianten, die dies weiter einbetten.
So gibt es im methodischen Konstruktivismus der Erlanger Schule die Möglichkeit zur Findung eines Konsens über die subjektiven Erkenntnisse hinweg. Der interaktionistische Konstruktivismus als Teil des soziokulturellen Konstruktivismus legt den Fokus weniger auf das konstruierende Subjekt als auf die kulturelle Bedeutung bei Konstruktionsprozessen.
Watzlawick galt als Vertreter der Strömung des radikalen Konstruktivismus, wobei er sich von der Bezeichnung distanzierte:
Wenn das Kind nicht schon diesen Namen hätte, wäre die Bezeichnung Wirklichkeitsforschung vielleicht vorzuziehen
Radikaler Konstruktivismus
Der radikale Konstruktivismus baut auf einer kompromisslosen Annahme des konstruktivistischen Kernelements auf.
Hier wird zugrunde gelegt, dass es überhaupt keine interindividuelle absolute und unabhängige Wirklichkeit gibt. Die reale Welt entzieht sich der Möglichkeit durch das Individuum erfahren zu werden.
Vielmehr stellt die Realität des Individuums ausschließlich eine Konstruktion seiner eigenen Sinnesreize und seiner Gedächtnisleistung dar. Entsprechend schließt dies auch eine Objektivität im Sinne von Konsens ob wahrgenommener (konstruierter) Bilder der Realität wie im methodischen Konstruktivismus vollständig aus.
Nach Watzlawick ist ,,Das vermeintlich Gefundene [ist] ein Erfundenes, dessen Erfinder sich des Aktes seiner Erfindung nicht bewußt ist, sondern sie als etwas von ihm Unabhängiges zu entdecken vermeint und zur Grundlage seines ‚Wissens ‘und daher auch seines Handelns macht“.
Die Frage richtet sich nicht darauf, was wir zu erkennen versuchen, sondern ausschließlich wie.
Der Mensch wird als autopoietisches System beschrieben, das operational in sich geschlossen ist.
Konstruktivismus und Kommunikation
Watzlawick fokussierte sich in zahlreicher seiner Arbeiten auf das Herausarbeiten von Kommunikationstheorien.
Dabei betrachtete er die menschliche Kommunikation insbesondere vor einem konstruktivistischen Hintergrund. Es ging ihm darum zu zeigen, dass das, worauf wir uns in zwischenmenschlichen Beziehungen als Realität beziehen, nicht etwas objektiv Vorhandenes ist sondern auch diese Beziehungen unserer Konstruktion unterliegen und die Bedeutung selbiger individuell zugeschrieben wird.
An dieser Stelle verabschiedet sich der Konstruktivismus aus dem Bereich von vermeintlich grauen Theorien hin zu lebenspraktischen Fragestellungen.
Es gibt hier keine direkte Verbindung zwischen zwei kommunizierenden Personen. Vielmehr werden Vorgänge beim Kommunikator und beim Beobachter differenziert.
Nur bei einer aktiven Kopplung von Handlung eines Kommunikators und Rezeption eines Beobachters kann von Kommunikation gesprochen werden. Im Rahmen von Kommunikationstheorien ist der radikale Konstruktivismus eng mit der Systemtheorie verzahnt.
Watzlawick distanzierte sich von einer individualistischen Perspektive und betrachtete menschliche Kommunikation als ein offenes System. Zwei kommunizierende Personen stellen keine Einzelwesen dar sondern bilden miteinander ein Ganzes, also ein System.
Innerhalb des Systems gibt es Rückkoppelungen welche zum einen die Wirkung der Art der Kommunikation von Person A beeinflusst und zum anderen die Kommunikation von Person B bestimmt.
Hierzu stellte Watzlawick fünf Axiome zur menschlichen Kommunikation auf.
Axiome
Axiome stellen einen Ankerpunkt dar, der als gültige Wahrheit akzeptiert wird.
Begründet wird dies entweder durch eine hinreichende Stimmigkeit und Plausibilität des Axioms, welche keiner weiteren Beweise bedürfen oder aber als Grundlage zur Ableitung von Theoremen, welche sonst nicht abzuleiten wären. Theoreme stellen dabei das Gegenteil eines Axioms dar.
Zusammenfassend lassen sich Axiome folgend beschreiben:
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- Als absolut richtig erkannter Grundsatz; gültige Wahrheit, die keines Beweises bedarf.
- Nicht abgeleitete Aussage eines Wissenschaftsbereichs, aus der andere Aussagen deduziert werden.