Anwendungsfelder in der beruflichen Praxis

Systemischer Coach und Führungskraft

Abschlussarbeit von Marco Hennig, als PDF lesen


Haltung als Coach und als Führungskraft

Die Ausbildung zum Systemischen Coach beinhaltet einen intensiven Anfangsblock der Inneren Haltung als Coach.

Auch im Fortgang der Ausbildung wird dieses Thema immer wieder als wesentlicher Einflussfaktor für den positiven Verlauf eines Coachings hervorgehoben. An dieser Stelle sei insbesondere das OK – OK – Modell erwähnt.

Die „Ich bin OK – Du bist OK – Haltung“ trägt dazu bei, eine offene, wertschätzende Gesprächsatmosphäre zu schaffen, die die Basis für eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Coach und Klient ist.

Die Übertragung dieses Zusammenhangs auf die berufliche Tätigkeit als Führungskraft offenbart Parallelen.

Auch für die Führungskraft ist eine vertrauensvolle Beziehung zu seinen Mitarbeitern entscheidend für eine gute Zusammenarbeit.

Sowohl für die Tätigkeit als Coach als auch als Führungskraft ist es daher von Wert, sich mit der eigenen Haltung dem Klienten oder dem Mitarbeiter gegenüber zu beschäftigen, für sich selbst zu finden und diese Haltung authentisch zu vermitteln.

Hilfreich ist in diesem Zusammenhang die Auseinandersetzung mit dem OK – OK – Modell, welches die Auswirkungen der inneren Haltung auf ein Beziehungsgeflecht veranschaulicht.

In der beruflichen Praxis als Führungskraft können leicht Situationen entstehen, in denen die Führungskraft die „Ich bin OK – Du bist nicht OK – Haltung“ einnimmt.

Das Mitarbeitergespräch über schwache Arbeitsergebnisse ist ein typischer Anlass, bei dem diese Haltung durch die Führungskraft eingenommen wird. Der Effekt einer solchen Haltung kann ein Konflikt mit dem Mitarbeiter oder eine unfreiwillige Anpassung des Verhaltens durch den Mitarbeiter sein, welches oftmals nicht langfristig haltbar ist.

Ein Ausweg aus dieser Situation kann es für Mitarbeiter und Führungskraft sein, wenn es der Führungskraft trotz schwacher Arbeitsergebnisse des Mitarbeiters  gelingt, die „Ich bin OK – Du bist OK – Haltung“ einzunehmen.

Die Gesprächsführung sollte dann nicht mehr im  Kern problemorientiert sein, sondern lösungsorientiert. Entsprechende Fragetechniken wirken hier unterstützend und werden nachfolgend erörtert.

Autoritärer vs. Kooperativer Führungsstil

Der Autoritäre Führungsstil ist dadurch gekennzeichnet, dass die Führungskraft, unterstützt durch Steuerungssysteme, die Tätigkeiten seiner Mitarbeiter kontrolliert und verteilt.

Er basiert auf Befehl und Gehorsam.

Im Gegensatz dazu werden die Mitarbeiter beim Kooperativen Führungsstil in die Auswahl und Priorisierung der Tätigkeiten einbezogen. Eigenverantwortung und Konsens sind hier zentrale Elemente.

In der beruflichen Praxis treten diese beiden Führungsstile zumeist als Mischform auf, in der beide Elemente vertreten, aber unterschiedlich stark ausgeprägt sind.

Die gesellschaftliche Entwicklung, Branche, Unternehmenskultur sowie der Tätigkeitsbereich sind wesentliche Einflussfaktoren auf die Ausprägung der beiden Führungsstile.

Durch die Ausbildung zum systemischen Coach verstärkt sich die Neigung zum Kooperativen Führungsstil, da sowohl die Haltungsarbeit als auch der „Werkzeugkoffer“ der Fragetechniken Einfluss auf den Umgang mit Mitarbeitern nehmen.

Rollenkonflikt Führungskraft als Coach

Ergebnisverantwortung liegt im Coaching beim Klienten und in der beruflichen Konstellation auch bei der Führungskraft.

Dieser Rollenkonflikt ist grundsätzlich auflösbar, aber zumindest kritisch zu hinterfragen und intensiv zu beobachten.

Sollte dieser Konflikt nicht gut gelöst werden, sind sowohl in der Konstellation Coach – Klient als auch Führungskraft – Mitarbeiter Probleme zu erwarten.

Führungskraft in der Doppelrolle als Coach im Unternehmen

Der oben geschilderte Konflikt zwischen der Rolle als Führungskraft im Unternehmen und der Rolle als Coach im Unternehmen kann dadurch umgangen werden, dass das Coaching nicht innerhalb der eigenen Führungsverantwortung stattfindet, sondern außerhalb.

Denkbar ist ein gegenseitiges Führungskräftecoaching, in dem die Expertise als Coach, die fachliche Expertise und die Kenntnis des Systems/Unternehmens genutzt wird.

Eine weitere Variante besteht darin, dass die Führungskraft außerhalb ihres eigenen Verantwortungsbereichs als Coach agiert.

Wichtig ist in dieser Konstellation, dass sie nicht als Führungskraft auftritt und eine neutrale Position einnimmt. Aus dieser Position heraus ist Coaching hinsichtlich Kompetenz- und Fähigkeitenentwicklung des Mitarbeiters möglich.

Weiterhin könnte ein wesentliches Themenfeld die Vermittlung zwischen den Interessen des Unternehmens und des Mitarbeiters sein mit dem Ziel, einen für beide Seiten funktionierenden Ausgleich zu erarbeiten.

Fragetechniken

Die Verwendung von Fragetechniken, die im Rahmen der Coachingausbildung vermittelt werden, ist in der beruflichen Praxis der Führungskraft gut einsetzbar. Die folgenden Beispiele im Rahmen eines Mitarbeitergesprächs zum Thema „erhöhte Anzahl von Bearbeitungsfehlern“ dienen der Verdeutlichung:

Im systemischen Coaching wird grundsätzlich auf Problemorientierte Fragen verzichtet („…warum machen Sie den Bearbeitungsfehler XY immer wieder?“), da diese auf das Problem fokussieren und aufgrund der angesteuerten Denkmuster die Handlungsfähigkeit einschränken.

Stattdessen werden Ziel-, Lösungs- und Ressourcenorientierten Fragen formuliert

„…was können Sie tun, damit Ihnen der Bearbeitungsfehler XY nicht mehr unterläuft?“

„…um wieviel % möchten Sie den Bearbeitungsfehler XY in 4 Wochen reduziert haben?“

„…wie haben Sie es in der Vergangenheit geschafft, den Bearbeitungsfehler XY zu vermeiden?“

Diese Fragen ermöglichen erst einen Prozess der Entwicklung neuer Handlungsalternativen.

Um im Gespräch die Entwicklung neuer Wege zu unterstützen, können auch Hypothetische Fragen genutzt werden („…angenommen, Sie würden den Prozess XY morgen fehlerfrei bearbeiten. Was hätten Sie an Ihrer Bearbeitungsweise verändert? …).

Die Hypothetischen Fragen machen unmögliches denkbar und ermöglichen dadurch die Entwicklung anderer Verhaltensweisen.

Sollte festgestellt werden, dass das identifizierte Problem in bestimmten Situationen oder zu bestimmten Zeitpunkten nicht aufgetreten ist, sind Unterschiedsfragen ein möglicher Ansatz („…wenn Sie sich die Situation gestern vor Augen führen, in der Sie den Prozess XY fehlerfrei bearbeitet haben – was war anders im Vergleich zur heutigen Situation?“).

Diese Fragetechnik eröffnet die Möglichkeit, bestimmte Handlungsmuster zu reflektieren und daraus Konequenzen für das zukünftige Handeln zu entwickeln.

Basis für den Einsatz der oben genannten Fragetechniken ist das Bewusstsein der Führungskraft über die Wirkung unterschiedlicher Fragetypen.

Erst durch dieses Bewusstsein wird es im beruflichen Alltag möglich, die vertraute Gesprächsführung zu verändern und damit andere Ergebnisse zu erreichen.

Konfliktmanagement

Die Ausbildung zum systemischen Coach beinhaltet den Umgang mit Konflikten und beschreibt darin eingehend die Hintergründe, wie es zu Konflikten kommt.

Ein wesentliches Element ist die Differenzierung zwischen Position und Interesse. Zumeist liegen bei einem Konflikt zwei gegensätzliche Positionen vor und Versuche, den jeweils anderen von der eigenen Position zu überzeugen, sind bereits gescheitert.

Eine Fokussierung auf die hinter den Positionen liegenden Interessen, also den Gründe für die verschiedenen Positionen, sollte zur Lösungsfindung genutzt werden.

Vielfach sind gemeinsame Interessen vorhanden, die den Weg zu einer Lösung ermöglichen.

Der Umgang mit Konflikten ist ein wesentlicher Bestandteil der Rolle als Führungskraft.

Beispielhaft seien hier Mitarbeitergespräche genannt, in denen oftmals unterschiedliche Positionen aufeinander treffen und ein konstruktiver Umgang gefordert ist. Dabei ist es nicht zielführend, wenn die Führungskraft grundsätzlich auf seiner Position beharrt und es die Aufgabe des Mitarbeiters ist, sich anzupassen.

Im Gegenteil ist die gemeinsame Auseinandersetzung mit gegensätzlichen Interessen hilfreich, um für den Mitarbeiter und damit letztlich auch für das Unternehmen gangbare Lösungswege zu finden.


als PDF weiterlesen